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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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gehörten eindeutig zusammen. Ein merkwürdiges Pärchen.
    Sie nahm die Kette ab, öffnete die Tür weiter und hoffte, er würde nicht bemerken, wie durcheinander sie war. Ihn zuerst vor der Kapelle und jetzt hier zu treffen, das bedeutete mehr Zufälle, als sie so ohne weiteres akzeptieren konnte. Und dennoch wollte der Argwohn sich nicht so richtig einstellen.

    Â»Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Finn.« Er streckte ihr seine Hand entgegen. Eine schmale Hand, von einer weißen, zackigen Narbe verunstaltet. »Sind Sie eine Verwandte von Professor Herzhoff?«
    Ja, bin ich, wollte sie ihm sagen. Sie wollte ihm so vieles sagen! Auf einmal verspürte sie den Drang, ihm von dem Mord, von dem Verfolger und sogar von dem Brief zu erzählen. Aber sie schwieg. Und vielleicht war es auch besser so.
    Enttäuscht senkte er den Arm, fuhr sich zögernd durch das Haar und zupfte ein paar Strähnen über sein linkes Ohr. Auch Alba begann, an ihren Haarspitzen zu rupfen.
    Â»Sie fragen sich bestimmt, woher ich ihn kenne. Ich arbeite an einer Diplomarbeit zum Thema afrikanische Glaubensrichtungen. Professor Herzhoff war in gewisser Weise mein Mentor. Seine Ansichten haben mich inspiriert, so habe ich mich an ihn gewandt, und er hat mir bei den Recherchen geholfen.« Er stockte. Sie durfte ihm nicht glauben. Am besten sollte sie ihn fortschicken. Doch Alba sah ihn einfach nur an: seine Augen, die Linien seines Gesichtes. Es war unhöflich, ihn so anzustarren, aber merkwürdigerweise spielte das für sie keine Rolle. Nur am Rande streifte sie der Gedanke an Georg und die Leute und deren Meinung, um die er sich immer so kümmerte. Sollten doch die Leute reden, was sie wollten. Ihr dagegen gefiel es, einen wildfremden Mann anzustarren, und sein offener Blick, mit dem er es ihr erlaubte, imponierte ihr.

    Â»Es ist schrecklich, was ihm widerfahren ist. Mein Beileid.«
    Nun schwiegen sie um die Wette. Alba gewann. Wegen der langjährigen Erfahrung, vermutlich.
    Â»Ich glaube, ich sollte besser gehen«, murmelte er und drehte sich um.
    Es durchfuhr sie wie ein Messerstich. Nein, diesmal nicht! Diesmal würde sie ihn nicht gehen lassen. Aus einem Impuls heraus hielt sie ihn am Ärmel zurück und bedeutete ihm mit einer Geste, hereinzukommen. Etwas überrumpelt, schob er sich an ihr vorbei in den Korridor.
    Im Flur zog Finn seine Schuhe aus und hängte die Jacke an einem Garderobenhaken auf. Alba hätte ihm gern gesagt, dass das nicht nötig sei, wenn sie es bloß hätte über sich bringen können.
    Wieder standen sie voreinander wie zwei Teenager, die auf einer Party miteinander bekanntgemacht und gleich darauf allein gelassen wurden. Seine etwas unbeholfene Art gefiel ihr. In ihm glaubte sie sich selbst zu erkennen, ihre Ungeschicklichkeit im Umgang mit fremden Menschen, ihre Verwirrung, wenn sie jemanden auf Anhieb mochte und es nie im Leben zugeben würde.
    Er startete noch einen Versuch, ein Gespräch in Gang zu bringen: »Darf ich vielleicht auch Ihren Namen erfahren?«
    Nein! Fast wäre sie zurückgewichen. Frag mich nicht, denn ich werde dir nicht antworten können. Alba grub die
Zähne in die Unterlippe. Natürlich war ihr klar gewesen, irgendwann würde es dazu kommen, aber sie hatte gehofft, das Unausweichliche noch ein Weilchen hinauszögern zu können.
    Er wartete auf die Antwort. Sie musste es riskieren. Alba öffnete den Mund, während eine unsichtbare Schlinge sich um ihren Hals legte und die Laute in ihrer Kehle im Keim erstickte.
    Â»A-a-a…« – Mehr kam nicht von ihren Lippen. Hitze schoss ihr ins Gesicht. Warum hast du mich gefragt?, klagte sie. Warum habe ich mich nicht stumm gestellt? Doch nun war es zu spät.
    Alba setzte zu einem neuen Versuch an. Es dauerte mehrere Minuten, bis sie die vier Buchstaben ihres Namens wie unter Wehen in die Welt gepresst hatte. Den jungen Mann nach dieser Blamage anzuschauen, wagte sie nicht. Wenn sie bei den Empfängen ihren Mund aufmachte, verdrehte ihre Mutter stets die Augen, und Georg eilte zur Hilfe, um sich für sie zu entschuldigen. Aber jetzt war sie allein, und es gab niemanden, der sich für sie hätte entschuldigen können.
    Â»Alba«, hörte sie Finn sagen. »Das ist ein spanischer Name, nicht wahr?«
    Sie warf den Kopf in den Nacken. War es seine Art, sich über sie lustig zu machen, indem er sie so normal

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