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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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fühlen.
    Â»Das ist bestimmt nur ein blöder Streich. Vergiss die Sache«, beschloss Georg für sie und nahm ihr den Zettel ab.
    Alba schnaubte und riss ihm das Papier aus der Hand. Sie erwartete, dafür Verdruss zu ernten, doch er zuckte nur die Achseln und vergrub die Nase in der Zeitung. »Wenn es dir so wichtig ist, behalte es doch.« Er klang gekränkt.

    Manchmal behandelte er sie wie ein Kind, aber sie zwang sich, darüber hinwegzusehen. Behutsam faltete sie das Blatt zusammen und versteckte es in der Tasche ihres Bademantels. Wenn sie mehr erfahren wollte, musste sie zu ihren Eltern fahren und sie auf den Brief ansprechen. Vielleicht wussten sie, wer ihn geschickt haben mochte, schließlich lautete der Mädchenname ihrer Mutter Herzhoff. Ein Name, der in Albas Familie nie laut ausgesprochen wurde.
    Â 
    In ihrem Sportwagen fühlte sich Alba frei, wenn nicht sogar verwandelt. Hinter dem Steuer lebte sie ihre andere Seite aus, bei der Georg die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hätte und ihre Eltern nach allen Geboten des guten Tons in Ohnmacht gefallen wären.
    Mit jeder Faser ihres Körpers saugte sie das Grollen des Motors in sich hinein. Ihr Leben gehörte den Autos. Der Tachozeiger über 220 vermochte die Leidenschaft zu entfachen, die Georg vergeblich in ihr suchte. Sie war süchtig nach Geschwindigkeit und fieberte dem Augenblick entgegen, wenn ihr Herz begann, Adrenalin durch ihren Körper zu jagen. Noch kroch sie durch die Tempo-30-Zone und warf ungeduldige Blicke in den Rückspiegel, doch sobald Georgs Haus hinter anderen Gebäuden verschwunden war, trat Alba auf das Gaspedal und raste durch die Stadt, als wäre sie Schumacher höchstpersönlich. Hamburgs Straßen kannte sie wie die eigene Westentasche und jagte ihre Corvette unter Missachtung einiger Verkehrsregeln durch die engen Kurven. Sie liebte ihr
altes Auto, das sie vor einem Schrotthändler gerettet und selbst in einer Werkstatt aufgepeppt hatte. Zwar schlug ihr Vater alle Tage wieder vor, für seine geliebte Tochter einen neuen Porsche oder sogar Lamborghini zu kaufen, aber Alba hätte ihre Corvette nie im Leben eingetauscht. In diesem Wagen steckte ein Teil ihrer Seele, und der Duft nach Leder und Maschinenöl kam ihr exquisiter vor als jedes Nobelparfüm. Ihr Traum war eine eigene Autowerkstatt. Vor einem Jahr hatte sie einen netten Schuppen für ihr Herzprojekt entdeckt, aber ihr angespartes Geld reichte vorn und hinten nicht. Sie hatte ihre Eltern um ein Darlehen bitten müssen. Doch ihre Mutter hatte nichts davon hören wollen. Die Frau hatte ihrem Vater so lange in den Ohren gelegen, bis auch er sich gegen die Idee sträubte. So hatte Alba sich an der Uni für ein Jura-Studium einschreiben müssen, hatte aber bisher kein einziges Seminar besucht und ließ das Ganze bereits seit zwei Semestern schleifen. Sie hoffte, ihre Eltern würden einsehen, wie wenig ihr das Studium zusagte. Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.
    Nach knapp acht Minuten sichtete sie das große Tor zum Grundstück ihrer Eltern – schneller wäre sie vermutlich bloß mit einem Hubschrauber angekommen. Alba drosselte das Tempo, passierte die Einfahrt und schlich den kopfsteingepflasterten Weg entlang auf die imposante Fassade des Anwesens zu, das wie ein Highlight aus der Parkanlage ragte. Ihre Wangen glühten noch von dem Rausch der Fahrt, als sie aus dem Wagen stieg und die Treppe zum Eingangsportal hochlief.

    Obwohl sie einen Schlüssel besaß, klingelte Alba und ordnete ihre Kleidung und ihr Haar, soweit es ihr möglich war. Die Mutter sperrte persönlich auf. Zu ihrem süßlichen Parfüm gesellte sich der Geruch von Wein, und ihre Augen blickten ausdruckslos wie Murmeln. In solchen Momenten kam sie Alba wie eine Fremde vor. Und leider waren es fast immer diese Momente, die in ihr aufstiegen, wenn sie an ihre Mutter dachte.
    Die Frau musterte sie von Kopf bis Fuß.
    Â»Alba«, stellte sie nach der Inspektion fest. In ihren Ton stahl sich ein Hauch von Überraschung, aber nicht mehr, als wenn der Postbote ein unerwartetes Päckchen gebracht hätte. »Mein Gott, wie siehst du denn aus?« Auf der Schwelle befingerte sie Albas Haar und zupfte an der Spitze ihres Sommerkleides, über das die meisten Designer wohl nur die Nase gerümpft hätten. Es hätte Alba nicht verwundert, wenn sie gleich ein Taschentuch herausgeholt, es

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