Nachtsplitter
das Frühstück zubereitet,
sondern ihr Vater, der überzeugter Frühaufsteher war und am Wochenende immer schon um sieben Uhr morgens in der Küche herumwerkelte.
Missmutig betrachtete ich die frischen Brötchen, die Pfanne mit dampfendem Rührei, die Käseplatte und die selbst eingekochte
Erdbeermarmelade (ein Hobby von Pias Oma). Normalerweise war das Frühstück bei Bauers immer der krönende Abschluss eines gelungenen
Party-Wochenendes. Das Rührei von Pias Vater war eine Wucht und sonst konnte ich nie genug davon bekommen. Aber heute war
schon der Geruch nach gebratenen Zwiebeln und Speck beinahe zu viel für meinen Magen. Die Dusche hatte zwar tatsächlich gutgetan
und den größten Teil meiner Müdigkeit weggespült, aber die Übelkeit war immer noch da.
»Bitte schön.« Pia stellte ein Glas Wasser mit einer sprudelnden Kopfschmerztablette vor mich hin. Ich wartete, bis sich die
Tablette aufgelöst hatte, dann kippte ich das Wasser hinunter.
»Jetzt geht's dir bestimmt gleich besser«, sagte Pia. »Kaffee?«
Ich nickte. Pia schenkte uns ein und setzte sich ebenfalls an den Tisch. »Und jetzt erzähl mal«, forderte sie mich auf, während
sie sich ein Brötchen nahm, es durchschnitt und mit Butter bestrich. »Was hast du gestern so getrieben?«
Ein Auto mitten im Wald. Beschlagene Scheiben. Dunkelheit. Stille. Lustvolles Stöhnen . . .
Ich musste mich zusammenreißen, um nicht laut aufzuschreien.
Ganz ruhig, Jenny! So war es nicht. So kann es nicht gewesen sein. So darf es nicht gewesen sein!
Ich zuckte mit den Schultern und sagte lahm: »Nichts Besonderes. Der Abend war ziemlich beschissen. Erst hab ich mich mit
Markus gestritten und dann bin ich stundenlang herumgeirrt und hab dich gesucht.«
Das ist auch eins unserer Rituale. Wenn wir abends zusammen weg waren, wird am nächsten Tag beim Frühstück alles haarklein
analysiert. Wer war da und wer nicht? Wer hat mit wem geflirtet/geknutscht/getanzt/geschlafen/gestritten? Wer hat wem was
zu trinken ausgegeben? Wie war die Musik? Und so weiter und so weiter . . .
Manchmal gibt es so viel zu erzählen, dass diese Gespräche den ganzen Vormittag dauern. Normalerweise bin ich immer mit Feuereifer
dabei – vor allem, wenn Pia einen Typen aufgerissen hat – , aber heute hatte ich keine Lust zu reden.
Wieder drängte sich mir die Erinnerung an das fremde Auto auf. Jetzt, in der von Sonne durchfluteten Küche, kam es mir vor
wie die Szene aus einem schlechten Film. Vielleicht hatte ich ja wirklich alles nur geträumt . . .
Nein, ich konnte mir nichts vormachen. Der muffige Geruch des Schlafsacks war Wirklichkeit gewesen. Genauso wie das schwarze
Loch in meinem Gedächtnis. Es fühlte sich an, als wäre mir ein wichtiger Körperteil amputiert worden.
Pia legte ihr Marmeladenbrötchen zur Seite, als wäre ihr plötzlich der Appetit vergangen. »Warum hast du dich denn mit Markus
gestritten?«
Ich nippte an meinem Kaffee. Er war noch heiß und ich verbrannte mir die Zunge. An Essen war überhaupt nicht zu denken.
Ich seufzte. »Das übliche Thema. Wir haben ein bisschen rumgemacht. Er wollte mehr, ich nicht.«
Pia spielte mit den Brötchenkrümeln auf ihrem Teller herum. »Ich versteh dich nicht, Jenny. Warum schläfst du nicht endlich
mit Markus? Ist doch nichts dabei.«
»Ich bin eben nicht wie du«, murmelte ich. »Ich kann nicht gleich mit jedem ins Bett springen.«
Pia zuckte zurück, als hätte ich sie geschlagen. Sie warf mir einen ärgerlichen Blick zu. »Nur zu deiner Information: Ich
gehe
nicht
mit jedem ins Bett!«
»Schon gut«, sagte ich schnell. »So hab ich's nicht gemeint.«
»Doch, hast du!« Die Wut in Pias Augen traf mich völlig unvermittelt. Ich wollte mich entschuldigen, bekam aber keinen Ton
heraus. Pia blinzelte und dann war der Moment auch schon wieder vorüber. Sie lachte etwas gezwungen. »Ich weiß guten Sex eben
zu schätzen. Und das solltest du auch tun. Glaub mir, das hebt die Lebensqualität ungemein.«
Zuckende Körper. Gespreizte Schenkel. Blutige Kratzer auf weißer Haut . . .
Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann auch gut ohne Sex leben.«
»Du vielleicht. Aber Markus nicht.« Pia grinste. Es sah beinahe gemein aus. Dann nahm sie ihr Brötchen, biss energisch hinein
und nuschelte: »Er ist dein Freund, Jenny, und ihr seid schon eine Ewigkeit zusammen . . .«
»Ein halbes Jahr ist für mich keine Ewigkeit«, stellte ich klar.
Pia schluckte den Bissen hinunter. »Markus ist
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