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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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wissen.«
    »Nichts Besonderes. Kleiner Schreck in der Mittagsstunde. – Komm, alter Junge, trink was.«
    Köhn schob den Arm unter und führte Krämer den Becher an den Mund.
    »Vorsichtig, heiß«, mahnte er.
    Krämer nahm einen Schluck, schmeckte, sah Köhn erstaunt an. Der kniff spitzbübisch ein Auge zu: »Sauf.«
    Gierig nahm Krämer Schluck um Schluck und sank, vor Wonne stöhnend, zurück. »Mensch, woher hast du das Gesöff?«
    »Nie sollst du mich befragen«, antwortete Köhn geheimnisvoll.
    Der belebende Bohnenkaffee tat sichtlich seine Wirkung.
    »Erzähle, was ist mit mir?«, forschte Krämer.
    »Kluttig hat dir ein paar Löcher in die Tapete geschossen.Aber in drei Tagen brüllst du wieder rum, so wie ich dich kenne.«
    Die Erwähnung Kluttigs brachte Krämer vollends zur Besinnung. »Was ist draußen los?«
    »Alarm, ich sagte es doch. – Hörst du es nicht?« Sie lauschten auf das ferne – nahe Gedröhn …
    »Ist noch was passiert?«
    »Ja.«
    »Was?«
    »Die SS hat ihre Requisiten eingepackt und ist wieder abgehauen.«
    Blinzelnd sah Krämer den lächelnden Schauspieler an und bekam plötzlich ein böses Gesicht. »Was sagst du da? In drei Tagen erst? Ausgeschlossen? Ich will aufstehen. Los.« Stöhnend sank Krämer wieder zurück, nachdem er den Versuch gemacht hatte, sich aufzurichten. Köhn feixte ihn liebenswürdig an: »Na, na, sachte, mein Sohn, sachte, sachte …«
     
    Es kam keine Entwarnung. Stunden vergingen, und immer noch brütete der Alarm über dem Lager. Als der Nachmittag zum Abend wurde, heulte die Sirene erneut auf. Ein zweiter Alarm, und der erste war noch nicht zu Ende. Es wurde dunkel, und mit der Finsternis kroch das Unheimliche ins Lager und umlauerte die Blocks. Kein Häftling dachte an Schlaf. Im Tagesraum, im Schlafsaal hockten sie herum und wagten kein Licht zu machen. Hier und da in einem Block brannte die kaltblaue Birne der Notbeleuchtung. Manchmal schreckten sie auf in den Blocks und suchten sich im Dunkeln mit den Augen. Draußen rumorte es. Fliegergebrumm war in der Luft, mit Schnelligkeit anwachsend und greifbar nahe über dem Lager. Die Köpfe reckten sich hoch nach den Balkenverstrebungen des Blockdaches, starr und lauschend. Das Gebrumm wuchs zum Gedröhn, und es dröhnte und brauste über die Blocks hinweg, flügelstark,von Finsternis und Ferne so schnell aufgeschluckt, wie es gekommen war.
    Und wieder unheimliche Stille. Kamen sie zurück, die Flieger? Waren es etwa deutsche? Suchten sie sich im Dunkeln ihre Ziele? Machten sie die Blocks aus? – Jede Minute war wie mit Sprengstoff geladen. Ist noch Alarm? Ist keiner mehr? –
    Und aus dem Abend wurde die Nacht.
     
    Vor dem abgedunkelten Dienstgebäude des Kommandanten standen die Autos. Kluttigs Wagen war mit dabei. Er selbst befand sich in Schwahls Zimmer zusammen mit Kamloth, Weisangk, Wittig. Hinter dem Konferenztisch in der Ecke stand Reineboth, in Erregung blass, denn was sich hier abspielte, war die letzte Phase der Auflösung. Eben hatte das schrille Geschrei des Telefons den heftigen Streit durchschnitten, in den sie sich alle verbissen hatten. Schwahl riss den Hörer zum Ohr, die Hand zitterte ihm. Er meldete sich, schrie: »Ich verstehe nicht, wiederholen Sie.« Er horchte mit dem ganzen Gesicht. Kluttig stieß wütend auf Reineboth zu, fauchte ihn an: »Du Drecksack, du erbärmlicher Rückversicherer!« Kamloth zerrte Kluttig am Ärmel von Reineboth weg.
    »Na bitte«, kreischte Kluttig, als er sah, dass Schwahl den Hörer auf die Gabel knallte, »was habt ihr Schlappschwänze mir sonst noch zu sagen?«
    Der körperlich überlegene Kamloth riss Kluttig zu sich herum, funkelte ihn gefährlich an. »Wir sind keine Schlappschwänze, verstehst du? Schwahl hat recht.« Kluttig zerrte sich aus Kamloths Griff, zog sich die Uniform zurecht, zitterte am ganzen Körper und keuchte: »Hat recht, der Diplomat, der Beamte, der Zuchthausbulle …« Er sah von einem zum andern, die er alle gegen sich hatte, schrie los: »Gesindel seid ihr, feiges Gesindel!«
    »Hältst du deine Verbohrtheit etwa für Mut?« Schwahl, mit dem Schutz seiner Verbündeten im Rücken, trat Kluttig entgegen. »Ich bin froh, dass uns der Alarm dazwischengekommen ist … Meine Herren, soeben erhalte ich die letzten Meldungen. Im Thüringer Wald stehen die Besatzungen zahlreicher Stützpunkte im Kampf mit dem überlegenen Feind. Tiefflieger haben auf dem Weimarer Bahnhof die Lokomotiven der Transportzüge zerschossen – Na bitte! Was

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