Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
Vom Netzwerk:
wenn …«
    »Wenn! Ja, wenn!«, knirschte Kodiczek. »Können wir die Waffen vergraben?« Er lachte kratzig. »Sie sind ja schon vergraben.« In seinen Augen flackerte die Nervosität.
    »Unsinn«, fauchte Bochow, »die Waffen bleiben, wo sie sind.« Er nahm ein großes Stück Muschelkalk zur Hand und warf es fort. Seine Augen irrten unruhig über den steinigen Boden. Es war ihm anzusehen, dass er die eben verlorene Beherrschung zurückgewinnen wollte. Streit durfte jetzt nicht aufkommen. Er machte gegen Kodiczek, der sich in finsteres Brüten zurückzog, eine abschließende Geste.
    »Das letzte Mal sagte ich euch schon, dass sie nach uns suchen«, sagte er dumpf. »Wir haben darüber gelacht. – Höfel war ja auch noch nicht im Bunker, jetzt wird es ernst damit. Wenn er es nicht schafft, wenn er nicht durchhält …«
    Bochow sah jeden Einzelnen eindringlich an. Sie bissen die Lippen aufeinander. Was sie dachten, sprach Bochow unerbittlich aus: »Wenn sie uns herauskriegen, dann steht für jeden der Tod.«
    Die Kerze knisterte leise.
    »Wir können manchen von uns noch rechtzeitig in Sicherheit bringen.« {sagte Bochow, der sich wieder in der Gewalt hatte.} Die Genossen horchten auf, und Bochow schlug vor: »Wir schicken ihn auf Transport in ein anderes Lager. Dort taucht er unter …«
    Es kam lange keine Antwort. Endlich sagte van Dalen: »Das ist doch nicht dein Ernst, Herbert?«
    »Doch«, beharrte Bochow, »Höfel kennt unsere Namen. Er braucht nur einen davon zu nennen …«
    Van Dalen hob resigniert die Schultern. »Dann wird der eine eben sterben müssen.«
    »Und wenn er uns alle angibt?«
    »Dann werden wir alle sterben«, antwortete van Dalen schlicht. Pribula wurde unruhig. Bochow schüttelte den Kopf.
    »Wer will auf Transport gehen?«, fragte er hartnäckig.
    Pribula schlug sich mit der Faust aufs Knie.
    »Willst du uns machen feig?« Seine leise Frage hatte aufgeschrien.Erst nach einer Weile sagte Bochow merkwürdig ruhig. »Es ist meine Pflicht, Genossen, euch zu fragen.« Er senkte dabei den Blick. »Ich bin mit daran schuld, dass es so weit gekommen ist.« Sein Ton erschien den Genossen fremd, sie schauten verwundert auf ihn. Er presste die Lippen zusammen.
    »Ich habe Höfel alleingelassen«, fuhr er noch leiser fort. »Hätte mich seiner und des Kindes sofort annehmen müssen. Hab’s nicht gemacht …« Das war ein Bekenntnis. Bogorski verstand als Einziger den Sinn, aber er schwieg dazu. Riomand hüstelte. »Non, camerade Herbert«, sagte er gütig. »Fehler, aber nickt sprekken von Schuld.«
    Bochow sah den Franzosen an. »Aus dem Fehler wächst die Schuld«, sagte er dunkel. Kodiczek zischte unbeherrscht: »Verdammt mit Höfel, verdammt mit Kind!«
    Pribula schnellte hoch: »Sind zusammen Höfel und Kamerad aus Polen im Bunker«, schrie er tonlos, »und da sagen du verdammt? Haben beschützt Deutscher und Pole kleines polnisches Kind, und da sagen du verdammt? – Verdammt du selber!«
    Seine Lippen zitterten und wurden weiß. Der jähe Zorn schoss ihm in die Augen. Van Dalen hielt Pribula am Arm fest. Der junge Pole schleuderte die Hand des Holländers von sich, eine plötzliche Feindschaft sprühte aus seinen Augen.
    Da geschah etwas Merkwürdiges, Bogorski begann vor sich hin zu lachen, leise und mit schütteren Schultern. Das Lachen stand in so schroffem Gegensatz zu der gespannten Erregung, dass sie alle wie erschreckt auf den Russen blickten. Der breitete die Hände mit den Flächen nach außen gegen sie und rief in bitterer Heiterkeit: »Was sind wir doch für lustige Menschen!«
    Er meinte »komische« Menschen und sagte »lustige«, weil er das deutsche Wort nicht fand.
    Plötzlich schlug sein Gebaren um. Sein Gesicht zog sich zusammen, aus den Augen zuckte es. Er riss beide Arme über den Kopf und ließ die Fäuste wuchtig niedersausen. »Wir sind aber nicht lustige Menschen, wir sind Kommunisten!« Er stieß auf Russisch einen derben Fluch aus und wetterte in seiner Muttersprache auf die Genossen ein. Sein Russisch überraschte ihn selbst, da keiner ihn verstand, und er brach mitten im Satz ab, wetterte aber sofort weiter in gebrochenem Deutsch. Fehler, Schuld, Flüche auf das Kind und die Genossen! Setzen sich Kommunisten
so
mit einer gefährlichen Lage auseinander? Soll die Situation uns beherrschen? Oder gehört es nicht vielmehr zum Kommunisten, selbst Herr der Situation zu sein? – Er schwieg. Sein Zorn verwandelte sich. Ruhiger fuhr er fort. Nun gut, charascho. Irgendwo im

Weitere Kostenlose Bücher