Nackt
stak mir in der Kehle wie Putzwolle. «Es wird nicht von Dauer sein», sagte ich. «Du wirst schon sehen.» Was sollte sie mit einem Freund? Ich stellte mir vor, wie die beiden sich über den Fußboden ihrer Wohnung wälzten, wobei sich Schmutzfuseln an den nackten Rücken und die bleichen, zuckenden Gesäßbacken hefteten. Freund. Sie würde nie jemanden finden, der so gut war wie ich; das habe ich ihr auch gesagt. Als sie mir beipflichtete, wurde ich sogar noch böser, stürmte von ihrer Veranda und sagte zum Abschied lächerlicherweise: «Das wollen wir doch erst mal sehen.»
Ich sagte mir, es sei mir vorherbestimmt, allein meinen Weg zu gehen, aber das Klischee barg keine Tröstung. Wenn ich die Wahl hatte, wollte ich meinen Weg lieber allein mit jemandem gehen, der kochen konnte, und es machte mir Sorgen, so viel Zeit allein verbringen zu müssen. Auf der mir noch verbliebenen Busfahrt erübrigte sich diese Sorge. Ich erreichte Odell mit der Überzeugung: Wenn bis an mein Lebensende wirklich niemand mehr das Wort an mich richten sollte – umso besser.
Die Straße zu Hobbs’ Obstplantage wand sich an einem Milchviehhaltungsbetrieb vorbei, vor dem mehrere Dutzend gefleckte Kühe sich die Zeit damit vertrieben, mit stumpfen Zähnen nasses Gras zu malmen. Vor einem Jahr hatte ich versucht, mich mit ihnen anzufreunden, am Zaun gestanden und mit Klappstullen gewunken, bis der Eigner mich informierte, dass sie weder Hühnchen noch Schweinefleisch aßen, nicht mal zwischendurch. Dumm waren sie, diese Kühe. Die Erntezeit begann Mitte September und dauerte bis Ende Oktober. Innerhalb nur weniger Wochen würde Frost kommen, und wir würden erwachen und sehen, wie unser Atem in schmuddeligen Wolken aus uns schoss. Ich hatte immer gedacht, Kühe verbrächten den Winter in einer Art geheizter Kaserne, stattdessen mussten sie draußen bleiben, egal, wie kalt es wurde. Ahnten diese Tiere denn überhaupt, dass ihr Sommer sich dem Ende näherte? Entsannen sie sich ihres Lebens als junges, sorgloses Kalbfleisch? Freuten sie sich je auf etwas, waren sie zu Reue fähig? Ich ließ meinen Matchbeutel fallen, näherte mich dem Stacheldrahtzaun und hoffte, sie würden vielleicht losstürzen und vor Wiedersehensfreude mit ihren tampenartigen, scheisseverschmierten Schwänzen wedeln, aber sie standen nur so da und arbeiteten methodisch mit den Backen.
Hobbs reagierte wieder haargenau so. «Sieh mal, wer da ist, Ringo. Na, wenn das nicht … Dennis ist? Stimmt’s?» Er schnippte eine glimmende Kippe aufs Gras, trat auf seine Veranda heraus und sagte: «Ich würde dich ja hereinbitten, aber die Frau stirbt immer noch am Krebs. Clifford hat’s jetzt auch erwischt. Den kennst du doch noch, oder? Großer, dicker Typ, war früher mein Vormann. Jetzt ist er drüben in Portland, mit Geschwüren arscheinwärts, so groß wie junge Bartlett-Birnen.»
Da Clifford nicht so bald zurückerwartet wurde, bot Hobbs mir den Wohnanhänger des Vormanns als Bleibe an, der zwischen der Scheune und der langen Reihe aus Hütten stand.
«Komisch, der Krebs.» Er zündete sich eine Zigarette an und betrachtete das abgebrannte Streichholz. Über uns versprühte ein Flugzeug Pflanzenschutzmittel und er grüßte winkend. «Ja. Ein absolutes Mysterium.»
Er geleitete mich zur Scheune, vor der ein mexikanischer Mann darauf wartete, dass die Dusche frei wurde, «¡hola, Tomás!», rief er.
Der Mann zerrte an dem Handtuch, das er wie einen Rock um die Hüften trug, und neigte den Kopf zum Gruß, «¡hola, Senor Hobbs!»
«Du sprichst doch etwas mexikanisch, Daniel?», fragte Hobbs. «Bei Gott, ich lerne selbst ein paar Wörter. Muss man aber auch, wenn man in der modernen Welt zurechtkommen will! Wenn ich erst mal loslege, spreche ich wie ein alter Kolumbolivianer, stimmt’s, Ringo?»
Der Hund kniete unter einem Baum und verbog sich, um an seinem eiternden Rektum zu lecken.
«Die Zeiten haben sich geändert, die alten Regeln gelten nicht mehr. Die jungen Leute hier finden, sie sind zu fein zum Arbeiten. Man hat nur noch die Wahl zwischen Gesocks und Mexikanern, und da nehme ich doch jederzeit die dummen Mexikaner.» Er knuffte mir in die Rippen: «Jetzt pass auf. ¡Buenos Diós, Miguel!»
Ein kleiner dunkeläugiger Mann blickte alarmiert von seinem Holzhacken auf.
«Die kriegen leicht einen Schreck», sagte Hobbs.
Ja, manche Menschen neigen dazu, wenn man sich ihnen von hinten nähert und «Guter Gott!» schreit. Wahrscheinlich eine Angewohnheit.
Hobbs
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