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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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zwangsläufig mit auf den Weg gegeben wurde? Wir erarbeiten uns in entspannter Atmosphäre die Fertigkeiten des Kochens. Weitere Themenschwerpunkte sind Küchenorganisation, Warenkunde und Ernährungslehre. Und natürlich lassen wir uns das Selbstgekochte in gemütlicher Runde schmecken.
    Bitte mitbringen: Geschirrtuch, Vorratsbehältnisse.
    Die Haltbarkeitsdaten auf Lebensmittelverpackungen sind immer nur ungefähre Richtwerte, das muss einen nicht weiter kratzen.
Bocuse – nicht Paul Bocuse, sondern
VHS
-Bocuse aus Schwäbisch Hall
     
    »Alors«, rief Chefkoch Bocuse und klatschte in die Hände. »Messieurs, isch bitte um Ruhé!«
    Seine acht Eleven scharten sich wie die sieben Zwerge um ihn, nur dass alle größer waren als er und aus luftiger Höhe auf ihn herabblickten.
    Die Männerkochgruppe der Volkshochschule Schwäbisch Hall bildete mittlerweile eine verschworene Gemeinschaft. Man hatte viel miteinander erlebt: das Soßendesaster, die Sauerbratenpleite, die Crème-brûlée-Katastrophe – von der Errettung Kommissar Seifferhelds vor dem sicheren Tod ganz zu schweigen. Und die Jungs hüteten Seifferhelds dunkelstes Geheimnis. Im letzten Jahr konnte er eine Kissenlieferung mit »I love Germany« nur deshalb rechtzeitig an eine begierig darauf wartende japanische Touristengruppe liefern, weil ihm seine Kochkumpels beim Sticken geholfen hatten. Natürlich hatten die Kissen am Ende mehrheitlich so ausgesehen, wie Kissen eben aussehen, wenn schwielige Männerhände zum ersten Mal Nadel und Faden zur Hand nehmen. Der kleine Souvenirladen in Rothenburg ob der Tauber, von dem Seifferheld den Auftrag erhalten hatte, hatte seitdem nie wieder bei ihm bestellt, aber die Aktion hatte die Männer zusammengeschweißt.
    Da Seifferheld allerdings um die sensiblen Seelen seiner Mitköche wusste, erzählte er ihnen nicht, dass der Rothenburger Souvenirladen ihn wegen Qualitätsmängel abserviert hatte. Und er verschwieg den Jungs auch, wie er den heutigen Tag verbracht hatte: nämlich mit dem Auffund einer bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten Frauenleiche. Allerdings fragte er in die Runde, ob einer Usch Meck kennen würde, woraufhin Schmälzle genüsslich mit den Lippen schmatzte und gleich darauf »Nein« sagte, »aber der Name zergeht einem doch auf der Zunge, oder?«.
    »Isch ’abe eine Ankündigung zu machen!«, rief Seminarleiter Bocuse fröhlich. Bocuse hieß eigentlich François Arnaud und war zwar waschechter Franzose, aber seine Qualifikation als Chefkoch bestand vornehmlich darin, dass er in seiner Jugend als Feldkoch für die Fremdenlegion im Tschad gewesen war und dass er einmal am Londoner Bahnhof Paddington Jamie Oliver um ein Autogramm gebeten hatte. Eine Farbkopie selbigen Autogramms hängte er vor Beginn der zweistündigen Kochunterrichtseinheiten immer wie eine Reliquie an der Wand der VHS -Schulküche auf.
    Kommissar Seifferheld und sechs seiner sieben Mitschüler zogen sich Hocker heran und setzten sich. Nur Guido Schmälzle blieb stehen und machte seine unsichtbaren Gymnastikübungen. Er schrieb Wanderführer über die Region Hohenlohe rund um Schwäbisch Hall und legte großen Wert darauf, fit und in Form zu bleiben. Derzeit schwor er auf unsichtbare, tonische Muskelanspannungs- und -lockerungsübungen. Da er jedoch mit Vorliebe relativ eng sitzende Trainingsanzüge trug, waren die Gymnastikübungen nicht wirklich unsichtbar, und zum Leidwesen seiner Kochkumpels sah man überdeutlich, wie er seine Pomuskeln anspannte und wieder locker ließ und wieder anspannte und wieder locker ließ … Keiner der Männer war schwul, aber diese rhythmischen Zuckbewegungen, um die ihn jede Bauchtänzerin beneidet hätte, zogen die Blicke magisch an, auch wenn man das gar nicht wollte und im Grunde sogar einen Tick eklig fand.
    Klempner Arndt, Mathelehrer Horst, Buchhändler Eduard und Rentner Gotthelf rückten ihre Hocker demonstrativ von Schmälzle weg. Klaus und Seifferheld saßen Gott sei Dank seitlich von ihm und somit außer Sichtweite.
    Bocuse bekam von alldem nichts mit. Er hatte Großes anzukündigen. Sein Gesicht verzog sich zu einem gütigen Übervaterlächeln. »Messieurs, meine lieben Jungs, frohe Kundé! Isch ’abe uns zum baden-württembergischen Amateurwettkochen für Männer angemeldet!« Er packte einen Holzkochlöffel und trommelte damit einen Tusch. »C’est très wunderbar, n’est-ce pas?«
    Bocuse, der der Liebe wegen in Schwäbisch Hall gelandet war – wiewohl sich alle, die seine

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