Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
Vom Netzwerk:
Nervenkitzel!
     
    Beinahe wären sich Nichte und Onkel begegnet.
    Während Karina mit Mozes im Schlepptau die Treppe zur Lobby des Diakoniekrankenhauses hinunterstieg, trat Siggi Seifferheld mit seinen Kochkollegen gerade in Aufzug A.
    »Also abgemacht, wir nehmen an diesem Wettkochen nicht teil!« Eduard legte die ganze Autorität seiner Buchhändlerpersönlichkeit in das Statement. Alle nickten. Keiner war scharf darauf, sich vor Hunderten von Leuten und Medienvertretern zum Deppen zu machen.
    Bis auf Arndt, der bis zu den Ellbogen in einer verstopften Toilette in der Schwatzbühlgasse steckte, waren alle gekommen, um Bocuse gute Besserung zu wünschen. Eine Fischvergiftung war schließlich keine Lappalie.
    »Ich weiß auch gar nicht, warum ich noch im Kochkurs bin. Wie heißt es doch: Kochen ist eine zwar angenehme, aber heimtückische Methode, um Muskelfleisch in Bauchspeck zu verwandeln«, erklärte Guido Schmälzle. Zweifelsohne gab er sich in diesem Moment wieder seiner Gesäßbackengymnastik hin. Die anderen sahen geflissentlich zur Aufzugskabinendecke hoch.
    Eduard musterte ihn. »Wo hast
du
denn Muskelfleisch? Du bist doch purer Bauchspeck wie ich auch.«
    Schmälzle lief rot an. »Mein Sixpack steckt eben unter einer Schutzschicht, aber im Gegensatz zu dir
steckt
er unter dem Speck!«
    »Jungs, ist ja gut«, beschwichtigte Seifferheld. Sie traten aus dem Aufzug. »Wenn wir jetzt zu Bocuse ins Zimmer gehen, müssen wir aus jeder Körperpore Friede, Freude, Eierkuchen ausstrahlen, verstanden? Strengt euch an!«
    Kläuschen strahlte schon mal zur Probe. »Hab Sonne im Herzen und Zwiebeln im Bauch, dann kannst du gut pupsen und Luft kriegste auch!«
    Siggi schüttelte seufzend den Kopf und geleitete seine Herde vor die Tür von Zimmer 614 . »Also, wir gehen jetzt da rein und verbreiten Optimismus. Und nach fünf Minuten gehen wir wieder.«
    »Und wer von uns sagt ihm, dass wir nicht am Kochwettbewerb teilnehmen wollen?« Eduard gehörte zu jenen Menschen, die immer gern klare Verhältnisse hatten.
    Alle Augen wanderten zu Seifferheld.
    »Na gut, ich sag’s ihm.«
    Sie klopften. Traten ein. Und bekamen einen gewaltigen Schreck.
    Dass acht Mann im Zimmer lagen, damit hatten sie gerechnet. Die Überbelegung war bisweilen legendär.
    Aber Bocuse …
    Er war weißer als das Laken, und das wollte etwas heißen, denn wer immer für die Diakonissen die Kochwäsche erledigte, fügte ordentlich Bleiche ins Waschwasser.
    Die Wangen des Franzosen waren eingefallen. Tiefe, dunkle Ringe unterstrichen das Weiße in seinen Augen fast schon abnorm. Seine Hände zitterten.
    »Maître, wir sind’s«, flüsterte Guido. Er hielt Abstand vom Bett, als ob Fischvergiftung ansteckend wäre und das Fischgiftvirus ihn jeden Moment von Bocuse’ Bett aus anspringen könnte.
    Bocuse starrte sie blicklos an.
    Seifferheld trat vor und stellte den Single Malt, den sie ihm mitgebracht hatten, auf den Nachttisch. »Hier, sobald es dir wieder bessergeht. Tötet alle Keime ab.«
    »Wir haben dir auch das Foto von Jamie Oliver mitgebracht«, sagte Klaus und lehnte den Rahmen gegen die Whiskyflasche.
    Die anderen nickten. Es fiel Männern oft nicht leicht, ihre Gefühle verbal zum Ausdruck zu bringen. Da musste ein Nicken genügen. Bocuse nickte nicht zurück. Es war, als befände er sich in einer anderen Welt. Ob er mit einem Bein schon im Jenseits stand? Die Männer schluckten kollektiv.
    »Tja«, fing Seifferheld an und wollte eigentlich verkünden, dass sie nie und nimmer und unter gar keinen Umständen an diesem Wettkochen teilnehmen würden.
    Bocuse wurde noch einen Tick bleicher.
    »Tja«, wiederholte Seifferheld und holte tief Luft.
    Bocuse starrte blicklos zur Decke. Seine Haut wirkte wie brüchiges Pergamentpapier.
    »Tja«, sagte Seifferheld, »wir gehen dann besser wieder. Du brauchst deine Ruhe.«
    Das Nicken der Kochboys wurde heftiger. Nur raus hier.
    Endlich rührte sich Bocuse. »Danke«, hauchte er, »danke, dass ihr …« Ihm versagte die Stimme.
    »Aber das verstand sich doch von selbst«, warf Seifferheld ein, während Bocuse die Augen zufielen. »Also weiterhin gute Besserung. Und wenn du irgendetwas brauchst, was auch immer, du hast ja unsere Handynummern.«
    Rückwärts gingen sie auf Zehenspitzen zur Tür, winkten Bocuse noch einmal zu und waren – zack – draußen.
    Einen Moment lang standen sie stumm da.
    »Ich konnte es ihm unmöglich sagen, das hätte ihm den Rest gegeben«, erklärte Seifferheld.
    »Nein,

Weitere Kostenlose Bücher