Nadel, Faden, Hackebeil
richte dir Handtücher und Seife im Badezimmer und lege in meinem Schlafzimmer schon mal Grant Green auf«, sagte er. Dessen
Idle Moments
war »ihr« Lied.
»Aber Liebster, du wirst doch unter der Dusche gebraucht«, hauchte MaC und blinzelte ihm zu. Sie hatte auf dem Weg von der Redaktion zu Siggi Irmgard getroffen und wusste, dass sie den ganzen Abend beim Bridge-Spiel mit ihren Freundinnen verbringen würde. Sie wären unbelauscht!
Seifferheld strahlte. »Dann hole ich uns eine Flasche Champagner aus dem Kühlschrank.«
»Eine gute Idee!«, lobte MaC ihn.
Seifferheld stürmte in die Küche … und blieb abrupt stehen. Im Halbdunkel saß eine eingefallene Gestalt auf seinem Thonet-Stuhl. Erst auf den zweiten Blick erkannte er, dass es sich um Fela handelte. Einen volltrunkenen Fela in karierten Boxershorts.
Der junge Mann sah mit waidwundem Silberblick zu ihm auf und hickste.
»Hallo Fela«, sagte Seifferheld. »Was machst du denn hier so allein?«
»Ich l-leide«, lallte Fela.
Vor ihm auf dem Küchentisch standen die gesammelten Biervorräte des Seifferheldschen Haushalts. Geleert.
»Warum s-sind F-Frauen so?«, fragte Fela. »Warum ist K-Karina so … so … so … na eben so?«
Seifferheld verstand nur Bahnhof.
»W-Warum hört sie nicht auf m-mich?«, jammerte Fela und rülpste.
Seifferheld überlegte kurz. Im Grunde war er ein mitfühlender Mensch und hätte sich zu jedem anderen Zeitpunkt gern zu Fela gesetzt, um ihn zu fragen, was denn los sei, und ihm zu versichern, dass das Rätsel Frau nicht zu lösen war und man es am besten stoisch ertrug, aber in seinem blutleeren Gehirn war derzeit nur Platz für zwei Gedanken: Champagner holen und mit MaC duschen!
»Das wird schon wieder«, rief er deshalb, schnappte sich die Flasche Taittinger, die er extra für einen solchen Moment besorgt und mit einer Klebezettelwarnung »Nicht anfassen!« versehen im Kühlschrank deponiert hatte, und eilte zurück ins Badezimmer, dessen Tür er hinter sich verschloss. Weshalb er auch nicht mitbekam, wie Fela ein letztes Mal hickste und dann bewusstlos vom Küchenstuhl rutschte.
MaC stand schon unter der Dusche. Sie hatte mehrere Teelichter entzündet. Im Hintergrund erklangen leise die
Idle Moments.
Seifferheld öffnete die Flasche und füllte zwei Gläser, die er auf den Sims neben der Dusche stellte. Er knöpfte sein Hemd auf und zog den Duschvorhang beiseite. Kleine Wassertropfen glitzerten auf MaCs leicht olivfarbener Haut. Ein Anblick, der den jungen Siggi in ihm weckte. Er würde jeden einzelnen Wassertropfen von ihrem Körper küssen, jeden einzelnen! Er beugte sich mit gespitzten Lippen vor und …
… und wurde von MaC zurückgestoßen. »Riechst du das auch?«
»Ich rieche nichts«, log er, obwohl seine Geruchsnerven in diesem Moment einen eindeutig unangenehmen Gestank vermeldeten. »Onis wird gefurzt haben«, sagte er, dabei lag Onis völlig friedlich auf dem Bettvorleger, den man durch die offene Verbindungstür zu Seifferhelds Schlafzimmer sehen konnte, und knabberte glückselig an seinem rosa Teddybären. Normalerweise versuchte Onis immer, seinen Schwanz zu jagen, sobald bei ihm Blähungen einsetzten.
»Hm«, zweifelte MaC deshalb.
Seifferheld gelang es, seine Lippen saugnapfartig auf ihrer rechten Schulter zu verankern. Jetzt würde ihn nichts mehr von ihr lösen können, jetzt würde er …
»Bäh!«, schnaubte MaC und stellte das Wasser ab.
Ernüchtert richtete Seifferheld sich auf, und sofort verschlug es ihm den Atem. Außerdem hörte er auf einmal blubbernde Geräusche. Sie drangen aus der Toilette.
Während MaC sich in seinen Morgenmantel hüllte, humpelte er zum Klo und hob den Deckel.
Wo eigentlich Wasser zu sein hätte, befand sich eine braune Brühe. Und sie stieg. Sie war sogar schon so weit gestiegen, dass die Toilette in diesem Moment überlief. »Himmel!«, rief Seifferheld und sprang gerade noch rechtzeitig einen Schritt zurück.
Da drangen auch schon die ersten Schreie aus den oberen Stockwerken.
»Onkel Siggiiiiiii!« Das musste Karina sein. »Das Klo läuft über!«
»Ich hab’s doch nur gut gemeint«, heulte irgendwo im zweiten Stock der zehnjährige Mozes.
Zu zweit eilten sie die Treppe nach oben.
Wie sich bald darauf herausstellte, hatte Mozes in dem noblen Wunsch, seinen Guppys die Freiheit zu schenken, nicht nur die Fische im Klo heruntergespült – »da werden sie in den Kocher geschwemmt und von dort in die Nordsee!« –, sondern gleich noch den
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