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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Tierschutzplakat eines misshandelten Hundes hätte herhalten können.
    In der Buchhandlung Zundelfrieder gab Seifferheld vor, einen Reiseführer für seine Nichte zu suchen, bei Chocolatier Hussel waren es Trüffelpralinen für seine Schwester, bei Moden Wanner ein Oberhemd für sich selbst. Dann bestellte er in der Bäckerei Mack einen Kaffee im Stehen.
    Wann immer er an Onis vorbeikam, erntete er vorwurfsvolle Hundeblicke. Nicht nur das Angebundensein störte den Hund, auch der Pseudo-Maulkorb, aber es musste sein.
    Die Haller erwiesen sich als auskunftsfreudig:
    »Frau Runkel war eine sehr sympathische Person.«
    »Die Kiki, ach ja, was für ein Verlust. So ein fröhlicher Mensch.«
    »Tragisch, wirklich tragisch. Eine so junge Frau.«
    »Vielleicht in diesem Zusammenhang unpassend, aber wer führt denn jetzt ihr Geschäft weiter? Ich sage Ihnen, wenn das mit dem Ladensterben in der Haller Innenstadt so weitergeht, sehe ich schwarz für die Stadt!«
    So in etwa lauteten die Kommentare der Geschäftsleute. Privates hatte keiner zu erzählen. Das war aber auch typisch für seine Heimatstadt. Es handelte sich nicht um Diskretion, die wäre zu knacken gewesen. Nein, Grund waren die Parallelwelten, die keine Überlappungen kannten. Man blieb unter sich – die Sportler, die Kunstschaffenden, die Serviceclubleute, die bessere Gesellschaft, die nicht so feine Gesellschaft, der Rest. Natürlich gab es Berührungspunkte, aber nur oberflächlicher Natur. In Indien mochte das Kastenwesen ausgestorben sein, hier in der süddeutschen Kleinstadt blühte und gedieh es äußerst prächtig. Und offenbar war Katharina Runkel Mitglied einer Kaste gewesen, zu der kein anderer Ladenbetreiber in der Umgegend gehörte.
    »Sie fragen überall nach der Kiki, habe ich gehört.« Der Metzger baute sich vor der Tür der Bäckerei neben Seifferheld auf.
    Der Metzger war kein hiesiger Wurst- und Fleischwarenhändler, sondern ein Obdachloser, den alle Metzger nannten. Womöglich, weil er so hieß. Gustav Metzger. Er gehörte zu den stadtbekannten Pennern. Hin und wieder sah man ihn biertrinkend auf der Henkersbrücke, manchmal saß er auch mit ausgestreckter Hand am Sulfersteg und bat mit rauchiger Stimme »Hasse mal ’n Euro?«. Er war harmlos, ließ sich über Winter in der Schuppachburg verköstigen und ging während der Sommermonate auf Platte.
    »Das hat sich aber schnell herumgesprochen«, sagte Seifferheld.
    An diesem Morgen roch der Metzger erträglicher als sonst. Nicht auszuschließen, dass er mit Wasser und Seife in Berührung gekommen war. Versehentlich.
    »Für eine Tasse Cappuccino würde ich auch mit Ihnen plaudern«, bot der Metzger an. Das waren noch Zeiten, als Penner sich mit einer schönen Tasse schwarzen Kaffee begnügten. Jetzt musste es Cappuccino sein.
    Seifferheld bestellte einen Cappuccino-to-go, ohne sich Hoffnung auf wirklich weiterhelfende Informationen zu machen. Er betrachtete es als seine gute Tat des Tages.
    Der Metzger blies das Schaumkrönchen von seinem Pappbecher. »Schaum ist nicht so meins. Ich identifiziere mich mit Wladimir Klitschko«, sagte er. »Der ist wie ich: außen stark, innen ganz zart. Bestimmt hat er auch eine Laktoseschaumüberempfindlichkeit.«
    Seifferheld bestellte noch ein Croissant für den Mann.
    »Und? Was wollten Sie mir sagen?«, versuchte er, den Redefluss von Metzger zu stimulieren.
    »Immer traurig, wenn ein Mensch stirbt. Da fordert Gott gewissermaßen sein Material zurück.«
    »Keine philosophischen Abhandlungen«, bat Seifferheld. »Ich will nur hören, was Sie mir über Frau Runkel erzählen können.«
    »Das war eine total Nette. Ich durfte jederzeit in ihren Laden kommen, obwohl ich ja sonst bisweilen auf gewisse Vorurteile stoße.« Der Metzger hob seine Tasse, als wolle er auf Kikis Wohl anstoßen. »Und ich sage Ihnen das eine: Sie hat ihren Mörder gekannt! Weil nämlich, als ich das erste Mal bei ihr auftauchte, kam sie mit einer riesigen Dose Pfefferspray aus dem Hinterzimmer gerannt. Und in der Hand hielt sie so ein Sirenenalarmteil. Die Runkel war total auf der Hut. Ein Fremder hätte sie nicht einfach so erschlagen können. Das dürfen Sie mir glauben. O nein, sie hat ihren Mörder gekannt!«

10 : 15  Uhr
    Besserungsanstalten für Hunde heißen in China Kochtopf.
Harald Schmidt
     
    Als Seifferheld die Bäckerei Mack verließ und Onis losband, sah er aus dem Augenwinkel einen Schatten durch die Geschäftsräume von Frau Runkel huschen.
    Seifferheld dachte nicht

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