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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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von Leuten auf der Straße, die außer Atem sind!
     
    Seifferheld frühstückte aushäusig, so weit war es schon mit ihm gekommen.
    Er war kein Selbstversorger, und in seinem Harem herrschte bedenklicher Schwund. Irmi war über Nacht nicht nach Hause gekommen, Susanne war immer noch mit ihrer Freundin unterwegs, MaC hatte vorbeikommen wollen, war aber nicht aufgetaucht, und Karina schlief noch.
    Nach fast sechzig Lebensjahren, in denen es immer jemand, meist jemand Weibliches, gegeben hatte, der ihm das Frühstück bereitete – seine Mutter, die Essensausgabe bei der Bundeswehr, seine Frau, seine Schwester –, sah sich Seifferheld außerstande, sich selbst ein leckeres Frühstück zu zaubern. Wenn er wirklich einmal allein war, aß er eine trockene Brezel zu seinem Morgenmost. Aber nicht einmal Brezeln gab es an diesem Morgen in der Küche. Seifferheld hatte Klaus im Verdacht, der gestern noch in der Vorratskammer gestöbert hatte. Kurzum, wenn Seifferheld ein ordentliches Frühstück haben wollte, musste er es sich bei fremden Menschen gegen Geld besorgen.
    Es war ein herrlicher Morgen, und so setzte er sich an einen der Tische vor dem Café am Markt mit Blick auf das geschäftige Treiben auf dem Marktplatz, auf dem – wie jeden Samstag – die Bauern der Umgegend ihre Marktstände aufgestellt hatten. Trotz der frühen Stunde wimmelte es vor Menschen.
    Es war relativ kühl, aber die achtsame Kaffeehausleitung hatte rote Decken ausgelegt, und unter diesen hielt man es gut aus. Seifferheld bestellte eine Butterbrezel und Rührei mit Kräutern und dazu ein Kännchen Kaffee und ein Glas Apfelmost. Seine Welt war wieder in Ordnung.
    Onis lag schwer schnaufend unter dem Tisch. Seifferheld war besorgt. Seit vorgestern hatte Onis nichts mehr gefressen. Seifferheld war sogar
sehr
besorgt.
    Bevor er sich jedoch weiter Gedanken machen konnte, klopfte ihm jemand auf die Schulter.
    »So eine Freude, der Siggi! Long time no see!«
    Es war Kläuschen, der unaufgefordert Platz nahm, der sympathischen Kellnerin zuzwinkerte und »Das Übliche!« rief, und dann mit dem linken Fuß aus seinem Timberland-Slipper schlüpfte und mit bestrumpften, wenn auch löchrig bestrumpften Zehen den Rücken von Onis kraulte. Der Hund ließ es sich gefallen.
    »Hach, so macht das Leben Spaß!«
    Das war Kläuschen, wie er leibte und lebte. Sah immer nur das Positive im Leben. Ein Sonntagskind.
    Das Sonntagskind verkündete gleich darauf: »Ich schwör’s dir, Siggi, ich häng mich auf. Ich knüpf mich an einen Dachbalken. Echt!«
    »Was redest du denn da für einen Unsinn, Klaus!«
    Die Kellnerin brachte Seifferhelds frugales Frühstück und Kläuschens »Übliches«: Die große Café-am-Markt-Spezial-Frühstücksplatte mit extra viel Wurst und Käse und Pfannkuchen mit Ahornsirup und Sekt und Kaviar.
    »Ich kann nicht kochen. Ich hab’ noch nie kochen können, und das ändert sich auch nicht mehr. Ich bin nur zu dem Kurs, weil ich unter Leute kommen wollte.«
    Seifferheld, der – nach dem whiskeyseligen Probekochen in seiner Küche, bei dem sie fünfzehn verschiedene Methoden entdeckt hatten, wie man Geflügelterrine
nicht
macht, bis sie so betrunken waren, dass sie aufgeben mussten – den Kochwettbewerb erfolgreich aus seinem Wachbewusstsein verdrängt hatte, schämte sich ein wenig.
    Alle hängten sich voll in die Sache hinein, nur er meinte, das Gekoche locker aus dem Handgelenk meistern zu können. Müsste er mehr Ehrgeiz entwickeln?
    »Klaus, krieg dich wieder ein. Wir fahren in die Arena Hohenlohe, kochen irgendwas, haben Spaß dabei und lassen ein Foto von uns schießen, das sich Bocuse dann neben sein Jamie-Oliver-Gedächtnisbild hängen kann.«
    Kläuschen schöpfte Hoffnung. »Meinst du?«
    »Ja, meine ich!«
    Eine Zeitlang frühstückten sie schweigend vor sich hin. Man hörte nur Kaugeräusche von oberhalb des Tisches und Schnaufgeräusche von unterhalb.
    »Ja, grüß Gott, die Herren.«
    Seifferheld sah auf, während Klaus der Unterkiefer nach unten klappte.
    »Frau Denner, das ist aber eine Überraschung. Sie waren auf dem Markt?« Seifferheld erhob sich gut erzogen.
    »Nein, ich war bei Ihnen zu Hause, aber ich traf nur auf eine sehr nette, junge, verschlafene Frau mit blauen Haaren, die mich in die Küche bat, mir Hefezopf mit Gsälz anbot und mir dann anvertraute, ich könne Sie hier finden.«
    Die Begegnung mit Frau Denner war jetzt tendenziell ungut. Seifferheld mochte Klaus.

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