Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nächsten Sommer

Nächsten Sommer

Titel: Nächsten Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Rai
Vom Netzwerk:
einem kleinen Dorf namens Pui. Wie jeden Samstag ist er den nervigen Weg zur Schlucht hinaufgekurvt, um hier Maria, die Frau des Dorfpolizisten, zu vögeln.
    Manchmal fragt sich Jürgen, ob die ganze Fahrerei die Sache noch wert ist, aber allein die Genugtuung, die er dabei Maurice gegenüber empfindet, diesem froschfressenden Bullenwichtel, der noch dazu alles hasst, was deutsch ist … Doch, lohnt sich.
     
    Jürgens Maschine hatte einen Motorschaden. Brigitte. Eine Yamaha Genesis. 136 PS. Zornige kleine Schlampe. Bei 7000 Umdrehungen ging die erst so richtig ab. Bei 13500 hat’s dann den dritten Zylinder zerlegt. Bald zehn Jahre ist das jetzt her. Da saß Jürgen in diesem Kaff fest mit einer kaputten Brigitte, und der einzige Mensch im Ort, der etwas von Motoren verstand, hatte drei Traktoren in der Werkstatt. Aber es gab das
Louis
, und es gab Jeanne, die schon damals dort arbeitete. Und bis Brigitte wieder fahrtüchtig war, hatte Jürgen unbemerkt Anker geworfen.
    Die Bauern in der Region nennen Jürgen nur L’Allemand, den Deutschen. Wenn jemand nachfragt, was genau er eigentlich macht, bekommt er zur Antwort, Jürgen sei »so eine Art Tierarzt«. Tatsächlich mästet er alles, was vier Beine hat, mit allem, was sich auf Spritzen ziehen lässt.
    Früher hat sich Jürgen das Zeug, das er heute den Kühen verabreicht, selbst gespritzt. Equipoise zum Beispiel. Verringert den Wassergehalt in den Muskeln. Wurde ursprünglich für die Pferde- und Rinderzucht entwickelt, funktioniert aber beim Menschen genauso. Macht mageres Fleisch, schön rot. Kühe sind eben auch nur Menschen. Spritz ihnen anabole Steroide in den Arsch, und |109| du steigerst den Aufbau von Eiweiß in der Muskulatur bei gleichzeitiger Verminderung des Körperfetts. Besser geht’s nicht. Und so einfach. Hätte die Natur auch selbst drauf kommen können. Aber der fallen immer nur komplizierte Sachen ein: Photosynthese zum Beispiel, oder Pilze – Mann, sind die komplex! Könnte alles viel einfacher gehen.
    Jürgen jedenfalls hat das Zeug nicht geschadet. Im Gegenteil: Hat ihn stark gemacht. Und geil. Wie Maria. Die ist auch geil. Und versaut. Auf jeden Fall zu geil und zu versaut für ihren Mann, Maurice. Der schnallt sich zum Boulespielen extra eine Großkalibrige um, aber in seiner Hose steckt nur ein Pusteröhrchen. Sagt Maria.
     
    Der Treffpunkt von Jürgen und Maria ist das Ende eines unbefestigten Weges, der gefährlich nah an der Kante der Steilwand entlangführt und für die Öffentlichkeit gesperrt ist. Benutzt werden darf er nur als Feuerwehrzufahrt, wenn im Sommer mal wieder ein Tourist in der Wand steckengeblieben oder in die Schlucht gestürzt ist. Maria, die sich hier jeden Samstag den Rock hochschiebt, findet die Kulisse romantisch. Jürgen ist das so was von egal, das gibt’s gar nicht.
    Er hatte bereits ein komisches Gefühl, als er beim Öffnen der Schranke diesen Streifenhörnchenbus auf dem Schotterplatz stehen sah. Orange und Weiß. Welcher Idiot dachte sich Orange als Farbe für ein Auto aus? ’ne Schwulette, jede Wette, oder irgendwelche Baumhocker, die die Büsche abnagten und sich händchenhaltend im Kreis aufstellten, um gemeinsam der Energie des Ortes nachzuspüren.
    Jürgen brachte die Lehne des Beifahrersitzes in die Waagerechte, Maria kam, stieg wie immer wortlos auf der Fahrerseite ein und steckte sich die Haare hoch, während Jürgen seine Hose auf die Oberschenkel herabzog und sich in Position brachte, um sich anblasen zu lassen, als plötzlich ein weiblicher Hilferuf das nervtötende Grillengezirpe zerschnitt.
    An dieses Scheißgezirpe hatte sich Jürgen nie gewöhnen können. Der Mistral, der einem das Hirn aus der Schale pustete; die Boule spielenden Flachwichser aus dem Dorf; selbst die Sprache, |110| dieses »Worte in der Nase kneten und dann rauswürgen« – alles zu ertragen. Aber diese Zikaden … Mann, die konnten einem echt auf den Sack gehen. Und natürlich die Skorpione. Das Einzige auf der großen weiten Welt, wovor Jürgen Angst hatte. Krochen im August durch jede Scheißritze, um ins Haus zu kommen. Fand sich immer was. Kein Wunder, so wie die Franzosen ihre Türen bauten. Ein offenes Garagentor hält mehr Skorpione ab als dieser Dreck. Was wollen die überhaupt hier? Ist doch nicht Afrika, oder was. Gibt nicht einmal Palmen. Noch so was. Keine Autostunde südlich von hier hat’s Palmen, dass du die Sonne kaum siehst, aber hier? Buchsbaum, stinkender Thymian und 40 Grad im Schatten. Aber nicht

Weitere Kostenlose Bücher