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Nächsten Sommer

Nächsten Sommer

Titel: Nächsten Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Rai
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sie vom Tisch wegziehen, doch sie schreit ihn an, dass er sie nicht anfassen und verdammt noch mal abhauen soll. Auf einmal ist es sehr still.
    Lediglich das Blaulicht flackert noch von der Straße herauf. Jürgen weiß nicht recht, was er machen soll. Schließlich geht er zurück zum Fenster. Maria und Maurice sammeln Marias Sachen ein und steigen in den Wagen. Das Blaulicht erlischt, dann fahren sie davon. So viel zu Jürgens Affäre. Halb so wild. Hatte sich sowieso abgenutzt. Er wendet sich Jeanne zu, die seinem Blick ausweicht, |139| kratzt sich am Bauch, schlurft an ihr vorbei ins Schlafzimmer, zieht sich an und geht zurück ins
Louis
, um sich zu betrinken.
    Jeanne nimmt eine Flasche Rotwein aus dem Regal, entkorkt sie, trinkt und starrt in die Nacht hinaus.

|140| 27
    Ich liege in Marcs Schlafsack auf dem Dach des Busses. Über mir spannt sich ein undurchdringliches schwarzes Nichts. Auf der Wiese ist es sehr viel kühler als zwischen den Mauern des Dorfes. Der Himmel hängt so tief, dass man ihn fühlen kann. Nicht ein Stern ist zu sehen. In Wellen fegt ein feuchter Wind über die Hochebene, Vorbote eines Gewitters. Noch sind keine Blitze zu sehen, doch der Wind trägt bereits Reste des Donners mit sich.
    Die anderen schlafen. Für wenige Minuten hielt das Adrenalin ihre Augen noch geöffnet, doch kaum hatten sie sich in ihre Decken eingewickelt und sich die mit den lachenden Sonnen bestickten Kissen in den Nacken gelegt, da waren sie bereits eingeschlafen. Keiner kam mehr auf die Idee, zu fragen, was wir jetzt machen sollten. Schlafen. Eine andere Option gab es nicht.
     
    Als das Donnergrollen näher rückt und erste schwere Tropfen auf meiner Stirn zerplatzen, steige ich hinunter und setze mich auf den Beifahrersitz. Wieder tropft es auf mein Gesicht. Das Schiebedach. Ich versuche, es zu schließen, und halte plötzlich die Kurbel in der Hand. Irreparabel. Auf dem Armaturenbrett sammeln sich Tropfen. Inzwischen schießen Blitze aus den Wolken. In der Ferne, am Ende der Hochebene, scheinen für Sekundenbruchteile die Umrisse der Berge auf. Die Olivenbäume, die eben noch flüsterten, beginnen zu rauschen. In einer Viertelstunde wird der Regen die Wiese in ein Reisfeld verwandeln. Ich nehme eine Rolle Gaffa, klettere zurück auf den Bus und verklebe die Öffnung mit Tape.
    Ich reiße den letzten Streifen von der Rolle, als ich merke, dass die gesamte Wiese von leuchtenden Tropfen benetzt ist – lauter kleine Lichter, die um den Bus tanzen. Mein Verstand sagt mir, dass ich halluziniere. Kein Wunder, nach diesem Tag. Doch meine Augen beharren darauf, im Recht zu sein. Mir wird klar, dass es Glühwürmchen sind. Regungslos stehe ich auf dem Dach und betrachte |141| dieses Netz aus tausend kleinen Lichtern, zwischen denen der Bus träge auf und ab zu schaukeln scheint.
    Ich steige wieder hinunter und gehe ein paar Schritte durch den Regen. Das nasse Gras streicht mir um die Knöchel. Weit weg bellt ein Hund. Von den Glühwürmchen in der Schwebe gehalten, verliere ich den Boden unter den Füßen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas Schöneres gesehen zu haben.
    Leise steige ich ein und schließe die Tür. Der Regen plattert auf das Dach. Hoffentlich, denke ich, liegt Lilith nicht völlig durchnässt auf dem Vordach des alten Kinos. Morgen fahren wir zum Haus von Onkel Hugo. Meinem Haus. Das ich nie gesehen habe. Wir schwimmen in einem Lichtermeer.
     
    Keine 30 Meter vor uns schlägt ein Blitz in einen Baum. Der Donner bricht über uns herein, lässt die Scheiben erzittern und mein Herz aussetzen. Marc zuckt zusammen, wacht jedoch nicht auf. Er hat sich in zwei Decken gehüllt. Sein Kopf ist in den Nacken gesunken, sein Mund weit geöffnet. Von Bernhard kann ich nicht viel sehen, doch ich höre ihn schnarchen.
    Im Schlaf höre ich eine Stimme: »Felix?« Ich träume mit offenen Augen. »Felix, schläfst du?«
    Die Welt um mich herum nimmt Gestalt an.
    »Zoe?«
    »Woran denkst du?«, will sie wissen.
    Ich bin wieder im Bus angekommen. Auf dem Beifahrersitz. Neben mir Marc. »Ich frage mich, was Lilith gerade macht«, antworte ich.
    Nach einer Weile fragt Zoe: »Hast du die Glühwürmchen gesehen?«
    »Ja.«
    »Wahnsinn, oder?«
    Ich versuche, das richtige Wort zu finden. »Erfüllt einen mit Dankbarkeit«, sage ich. Besser kann ich es nicht.
    Ein weiterer Blitz zuckt durch die Nacht, diesmal hinter uns.
    Zoe sagt: »Ja, das tut es.«
    Das Zentrum des Gewitters ist über dem Dorf angelangt. Im Widerschein

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