Nächsten Sommer
um jemanden zu finden, der ihr am Sonntag früh die Ferse vernäht.
»Ihr könnt euch ja solange ums Frühstück kümmern«, ruft Marc über die Schulter.
Es riecht nach altem Käse, Fisch und eingelegten Oliven. Dafür, dass ihr schlecht ist, kauft Zoe ein wie entfesselt: Obst, Käse, Baguette, drei Sorten Salami sowie ein Opinel, um alles zuzubereiten. Ein Frankreichurlaub ohne Opinel sei »ein absolutes No-Go«, erfahre ich.
Ich frage mich, wie Zoe auf Urlaub kommt, doch dann beobachte ich, wie sie sich von einem Käsehändler die Eigenheiten der einzelnen Sorten auseinandersetzen und Probierstücke über die Theke reichen lässt, und mir wird klar, dass es sich für sie genau danach anfühlen muss: Abenteuerurlaub in Südfrankreich.
»Hier«, lächelnd schiebt sie mir ein Stück Käse in den Mund, »probier mal: Ziege, vierundzwanzig Monate gereift.«
Bevor ich etwas erwidern kann, zerbröckelt der Käse auf meiner noch nüchternen Zunge, löst ein Geschmacksrezeptoreninferno aus und verschließt mir die Nase.
Zoes Augen leuchten wie frisch polierte Kupfermünzen. »Und?«
»Hmm«, bringe ich hervor und schlucke den Käse herunter.
Sie wählt drei Sorten aus, drückt mir die Tüte in die Hand und stiefelt los, als habe sie ein konkretes Ziel vor Augen.
»Wie findest du sie?«
»Wen?«
»Na wen wohl?«
»Jeanne?«
»Nein, Dagmar.« Zoe stößt mich in die Seite. »Natürlich Jeanne – wen denn sonst?«
Ich nicke.
»Und?«
»Was?«
»Wie du sie findest?«
»Weshalb fragst du?«
»Jetzt sag schon.«
Ich bleibe stehen. Wie ich sie finde … »Französisch«, antworte ich.
|168| »Und sonst so?«
»Klein.«
Zoe lacht auf und hakt sich bei mir ein, als hätten wir morgen Silberhochzeit. »Du bist süß.«
Beladen mit vier Einkaufstüten kehren wir zum Bus zurück. Auf dem Weg sammelt Zoe noch zwei Milchkaffee ein, und da es im Café keine Einwegbecher gibt, kauft sie die Tassen gleich mit. Als wir aus dem Schatten treten, prickelt die Sonne auf der Haut.
Ich zeige Zoe meinen Lieblingsort: das Busdach. Es kommt mir vor, als führte ich sie in mein Schlafzimmer. Mit gekreuzten Beinen setzt sie sich mir gegenüber, blickt sich um und atmet durch: »Verstehe«, sagt sie, »verstehe.« Sie betrachtet mich. »Mache ich dich nervös?«
»Wie kommst du darauf?«
»Du kratzt die ganze Zeit an deinem Dreitagebart herum.«
Ich bin tatsächlich nervös. Kann mit allem Möglichen zu tun haben: Onkel Hugo, der Reise, dem Ziel, zu wenig Schlaf … Etwas geschieht mit mir. Anfangs war es nur ein unterschwelliges Gefühl, wie das beständige Brummen eines Transformators, das man irgendwann ausblendet. Jetzt jedoch, auf dem Busdach, kurz vor der letzten Etappe, habe ich das deutliche Empfinden, von Tag zu Tag leichter zu werden. Mit jeder Stunde, die wir unterwegs sind, schält sich eine weitere Schicht von mir ab.
Zoe reicht mir ein Stück Baguette mit Ziegenkäse und Maronencreme. Die Mischung schmeckt so intensiv, dass ich sie kaum schlucken kann. Ich decke mit der Hand meine Augen ab und sehe die Sonne durch meine Haut scheinen. Selbst einzelne Adern sind erkennbar. Löse ich mich auf? Werde ich mich, sobald wir Onkel Hugos Haus erreicht haben, in eine durchsichtige Hülle verwandeln und davonschweben?
»Musst nicht antworten, wenn du nicht willst«, sagt Zoe.
Später liegt sie neben mir auf dem Rücken und blickt in die Platane, die über dem Bus ihre träge schaukelnden Blätter ausbreitet. Nicht viel Wind, heute Morgen. Eigentlich gar keiner. Ideale Bedingungen. Ich befühle das Papier, in das der Käse eingeschlagen war. Könnte gehen. Es ist gewachst und deshalb ziemlich steif, trotzdem ist es leicht.
|169| Als ich mit dem Falten fertig bin, balanciere ich den Flieger auf meinem Zeigefinger. »Zu dicker Hintern«, sage ich.
»Du findest meinen Hintern zu dick?«, fragt Zoe.
»Nein.« Ich erinnere mich daran, wie Zoe über mir auf dem Felsen stand und sich auszog – bevor sie ins Wasser sprang, wo wir alle beinahe ertrunken wären. Gestern. Und dann sage ich tatsächlich: »Dein Hintern ist über jede Kritik erhaben.« Und weil ich nicht glauben kann, dass ich das tatsächlich gesagt habe, füge ich schnell hinzu: »Hast du zwei einzelne Centstücke?«
Es funktioniert. Perfekte Balance. Zweimal kreist der Flieger um den Bus, bevor er in die Senke abtaucht, wo er sanft zwischen den alten Tempelsäulen aufsetzt.
»Das sah eindeutig
nicht
nach zu dickem Hintern aus«, stellt Zoe fest.
»Alles
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