Naechte am Rande der inneren Stadt
Ich kann mir Heumann einfach nicht in einem Pornoladen vorstellen.
Fast wehmütig denke ich an Theos blitzende Augen.
Er hat eine große Ausstellung am Samstag, sagt Heumann, und die Preise klettern in die Höhe.
Das ist ja toll, sage ich. Ich sehe zu, dass ich hinkomme.
|243| In der Nacht, allein, träume ich von Robert, der mich in einem Raum an Eisenketten aufhängt – ich baumele von der Decke –
lauter andere Frauen sind im Raum – die ihn begehren – ich wache schreiend auf – allein – ich dachte, es würde mich wieder
innerlich so zerreißen wie nach der Abreise von Jackson – und dann lag ich wimmernd in meinem Bett und wollte zu Jackson!
Ich verstand die Welt nicht mehr. Bin ich untreu?
Zwei Tage später. Donnerstag
Gestern früh ging ein Ruck durch mich hindurch, der mich daran erinnern sollte, dass NICHTS selbstverständlich ist, dass alles
zerbrechlich ist. Gehört Dankbarkeit zur Liebe? Für die Vorbehaltlosigkeit? Die Rückhaltlosigkeit? Oder will die gar keiner?
Ich hatte ausnahmsweise bei Robert übernachtet, sonst sind wir ja meistens bei mir. Wir wachten auf, Robert sah mich strahlend
an; es war noch früh; ich versuchte ihn zu verführen, er ging zunächst darauf ein; ich wollte so sehr seine Finger in mir,
und ihn, ich fieberte danach, wir küssten uns – plötzlich brach er ab, sagte, er wolle in den sonnigen Tag hinaus, blieb aber
neben mir liegen und sah mich merkwürdig an, kalt und herausfordernd.
Klink
machte etwas in mir, laut und deutlich,
klink
, und ich schubste ihn, geh weg, und rannte selber aus dem Bett, unter die Dusche. Er stieg zu mir in die Dusche, und dann
kam die Lust, aber es war eine traurige Lust wider Willen. Dass wir aus dem Wir herausfallen... dass dies so bald geschehen
konnte... ich will das nicht! Ich verstehe es nicht!
Der Tag war mir verdorben.
Schöne gelbe Narzissen und Mimosen und weiße Margeriten in meinem Zimmer. Ich habe sie mir selbst gekauft, traf Nora zufällig
im Blumenladen. Sie erzählt mir von einem Buch, das von der Lust am Schmerz handelt. Ich will davon nichts wissen.
|244| Robert klingelt abends. Ich weiß nicht, ob ich ihn sehen will. Zugleich freue ich mich, will mit ihm zusammen sein, als wäre
alles in bester Ordnung. Ich zögere. Er bittet mich. Lass uns was essen, sagt er. Er kommt vom Radfahren, hat geduscht, sein
Gesicht ist gerötet, seine schmale gerade Nase ist gereizt, von den Pollen, sagt er. Wir essen draußen auf dem Bürgersteig
vorm »Alibaba« eine Minipizza und trinken ein kleines Glas Rotwein. Viele Leute sind unterwegs, auch am langen Holztisch neben
uns sitzen sie gedrängt. Er kümmert sich nicht um die Ohren unserer Nachbarn. Er sagt etwas wie
mal wieder mit dir vögeln
. Diesen Ausdruck benutzt er sonst nie. Seine Augen bekommen einen merkwürdig leeren Ausdruck.
Was hast du eigentlich vorgestern Abend gemacht? fragt er.
Ich erzähle ihm von Heumann.
Hat er bei dir übernachtet? fragt er.
Was? frage ich und verschlucke mich.
Hast du mit ihm geschlafen? fragt Robert noch einmal und sieht mich noch sonderbarer an. Als würden die Pupillen in seinen
Augen immer größer und langsam über den Rand wachsen.
Nein, sage ich, wie kommst du denn darauf?
Du bumst doch alle, sagt er.
Das ist es also! Heumann! Dass ich ihn traf! Ich sitze da und bin sprachlos. Ich weiß nicht, ob ich weinen soll oder ihm den
Wein ins Gesicht schütten.
Er sieht mich unverwandt an.
Ich lasse dir deine Freiheit, sagt er. Er hat immer noch diesen merkwürdigen Ausdruck in den Augen, ich bekomme eine Gänsehaut.
Ich habe mit dir Geduld, sagt er weiter und lächelt von oben herab. Mit deinen Ängsten, deinen Eskapaden, deinen Klammertouren.
Ich bitte dich nur, mit meinen Wünschen ebenso umzugehen.
Ich bin so perplex, dass ich die ganze Zeit nichts sagen kann. Mein Magen ist wie ein Stein, gleich würge ich die Pizza |245| hoch. Ich habe immer gedacht, ich könnte mit ihm so reden wie mit keinem anderen, und nun bin ich stumm wie nie zuvor!
Er sagte auch nicht viel. Wir gingen nach Hause. Ich sah die Ampel, die Farben verschwammen, das Rot der Ampel wuchs und schwankte,
plötzlich hatte ich die Vision, dass das Rot zerschellt –
Kurz vor unserem Haus geriet ich in Panik. Ich konnte ihn so nicht zu mir mitnehmen, und ich konnte auch nicht die Nacht allein
verbringen. Dann wäre alles aus! Mein Herz fing an zu rasen, mir war schwindelig. Ich griff nach seinem
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