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Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
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heraus, trat hinter Perec und setzte sie ihm auf.
    »So«, sagte der Mann. »Möchten Sie sich im Spiegel ansehen?«
    »Nein. Ich nehme sie so.«
    »Sie kostet achthundert Dollar …«
    »Ich nehm sie. Das ist die Perücke, die ich will.«
    An diesem Abend nahm Perec eine Busfahrt in die Stadt auf sich. Einen kleinen Matchbeutel unter dem Arm, wanderte er von einem Striplokal und einer Bar zur nächsten und wieder zurück. Wenn ihn eine Frau ansprach, ob er nicht mit ihr mitkommen wolle, schreckte er entsetzt zurück. Endlich fand er die, die er haben wollte, eine schlanke Weiße, einen halben Kopf größer als er. Sie war zwar dunkelhaarig, aber ansonsten kam es mit der Ähnlichkeit ziemlich gut hin. Es kostete ihn einige Überwindung, sie anzusprechen. So etwas hatte er noch nie gemacht. Als die Frau bemerkte, dass er sie ins Auge fasste, sah sie ihn aufmunternd an. Perec wurde klar, dass sie auf ihn wartete. Er ging zu ihr rüber.
    »Na, Süßer? Willst du nur gucken oder dir auch was gönnen? Möchtest du was erleben?«
    »Ich glaube schon. Ja.«
    Sie musterte ihn von oben bis unten. »Das ist doch wohl nicht etwa dein erstes Mal?«
    »Doch.«
    »Okay. Aber nur dein erstes Mal mit einer Frau, oder?«
    »Nein, das meine ich nicht …«
    »Für mich ist das sowieso gehopst wie gesprungen, Schätzchen. Und was hast du da Schönes in deinem Beutel?«
    »Was zum Anziehen.«
    »Kannst dich ruhig verkleiden, kostet alles dasselbe. Bloß wenn ich mich verkleiden soll, wird’s teurer. Und wenn du willst, dass wir eine Kostümshow hinlegen wie Romeo und Julia, musst du noch ein paar Scheinchen mehr drauflegen. Also, was soll’s sein?«
    »Ich nicht, nur Sie«, sagte Perec.
    »Alles klar, ist gebongt. Ich nehm dich mit. Kostet hundert Mäuse und dazu noch mal dreißig für das Zimmer. Du gibst mir die Kohle, ich bezahl die Bude.«
    »Das ist ein Haufen Geld. Ich dachte nicht, dass …«
    »Preisanstieg und Inflationsspirale, Süßer. Guckst du keine Nachrichten? Aber bei mir kommst du voll auf deine Kosten. Ich orgel dich durch, dass die Wände wackeln. Ein Erdbeben ist ein Scheiß dagegen. Bloß: ohne Moos, nix los.«
    »Nein, nein, ich hab das Geld ja.«
    Als Perec seine Brieftasche zücken wollte, fiel sie ihm in den Arm.
    »Sag mal, spinnst du? Doch nicht hier. Du löhnst erst, wenn wir auf der Bude sind. Los, komm.«
    »Wie heißen Sie?«, fragte Perec.
    »Chanterelle.«
    »Pfifferling?« Perec traute seinen Ohren nicht.
    »Pfiffer was?«, sagte sie. »Nee, das ist Französisch.«
    Auf dem Weg zum Hotel kamen sie an einer Bar vorbei, deren Tür offen stand. Chanterelle warf einen Blick hinein und machte einem Schwarzen, der mit einem Weißen an der Theke saß, das Okayzeichen.
    »Kiri te Kanawa und sonst keine, Baby«, sagte Special in der Kneipe zu Vito, nachdem Chanterelle das mickrige Kerlchen in Richtung Hotel abgeschleppt hatte. »Die hat ’ne Stimme am Leib, die sich gewaschen hat.«
    Vito schnitt eine Grimasse. »Die singende Maori-Schnitte? Was für ’ne Ahnung hat denn so eine Dschungeltussi vom Arsch der Welt von Opern? Ich sag bloß eins: Maria Callas. Das Weib hatte echt was auf dem Kasten.«
    »Ist schon klar«, sagte Special. »Die hatte was drauf. Das geb ich ja auch zu. Was das Feeling angeht, war sie erste Sahne. Bloß in Sachen Technik hat’s gehapert. Manche Töne kamen richtig flach rüber. Aber Soul hatte sie, das muss man ihr lassen.«
    »Wenn ich dagegen an Caruso denke …«, begann Vito.
    »Verschon mich bloß mit deinem Caruso«, sagte Special. »Dass du die Italiener aber auch immer so hochjubeln musst. Ich kann’s nicht mehr hören.«
    »Wir Italiener haben die Oper schließlich erfunden«, gab Vito zurück.
    »Ach ja? Da haben die Franzosen aber auch noch ein Wörtchen mitzureden. Oder sogar die alten Griechen. Bei denen mussten schon irgendwelche armen Schweine mit ’ner Maske vorm Gesicht dem Plato was vorträllern.«
    Vito trank einen Schluck Bier. »Was weißt du denn schon? Als meine Vorfahren die gesamte bekannte Welt erobert haben, sind deine doch noch im Löwenkostüm durch den Urwald gepest, haben sich gegenseitig mit Speeren beschmissen und aus ihren Nachbarn Schrumpfköpfe gebastelt.«
    »Das ist ja mal wieder typisch. Immer musst du die alte Rassenkarte ziehen, du Kalkleiste. Erst manövrierst du dich in eine Ecke, aus der du deinen weißen Arsch nicht mehr rauskriegst, und dann knallst du mir den Neger vor den Latz. Die Nummer kenn ich auswendig. Damit gewinnst du keine

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