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Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
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hinter den Sessel, schlug die Arme überkreuz und warf Maman die Strippe um den Hals. Und zog. Die Leine straffte sich, und er zog noch fester. Er stemmte sich mit dem Knie gegen den Sessel und zog und zog, bis er vor Anstrengung zitterte.
    Maman gab keinen Laut von sich, nicht einmal ein Japsen. Sie krallte sich in die Schnur und zuckte und zappelte. Mit ihren hässlichen Händen riss und riss sie an der Leine und versuchte, über die Rückenlehne hinweg nach Perec zu schlagen. Sie strampelte und furzte laut, und Perec roch Scheiße und Pisse, aber sie wehrte sich immer noch. Es dauerte ewig, viel länger, als er je gedacht hätte. Irgendwann erlahmte ihr Widerstand dann doch, und sie erschlaffte, aber Perec traute ihr nicht über den Weg und bearbeitete sie weiter.
    Zwei, drei Minuten vergingen. Perec hatte jedes Zeitgefühl verloren. Dass er überhaupt wieder aufhörte, lag nur daran, dass er einfach nicht mehr konnte. Als er die Wäscheleine losließ, bewegte sie sich nicht. Perec trat vor sie und schlug ihr ein paar Mal mit voller Wucht ins Gesicht. Obwohl er sich das schon wünschte, soweit er sich zurückerinnern konnte, empfand er zu seiner Verwunderung nicht das Geringste dabei. Er schaltete den Fernseher aus.
    Perec ging zu Fuß in eine Eisenwarenhandlung, die ein paar Straßen weiter lag. Er kaufte eine stabile Plastikplane, eine Rolle Isolierband, fünfzig Meter Seil und einen Flaschenzug mit Sicherheitsbremse. Das Mädchen an der Kasse lächelte und redete mit ihm über das Wetter. Sie war jung und hübsch und hatte kleine, ebenmäßige Zähne. Und Perec hasste sie nicht. Er sagte: Ja, ein wunderschöner Tag. So könnte es bleiben.
    Wieder zu Hause wickelte er Maman in die Plane, klebte das Bündel sorgfältig mit Isolierband zu und schleppte es in sein Zimmer. Er stellte sich auf den Stuhl im Wandschrank, öffnete die Luke und stieg in Annas Welt hinauf. Nachdem er den Flaschenzug an einem Balken befestigt hatte, führte er das Seil über die Rollen und ließ die Enden durch die Bodenöffnung fallen, wo sie sich wie zwei verwirrte Schlangen neben Mamans Füßen zusammenrollten. Er kletterte hinterher, schob den Stuhl weg und schlang das Seil mehrere Male fest um Mamans Knöchel.
    Er zog. Langsam erhob sie sich in die Lüfte, als ob sie endlich in den Himmel auffahren dürfte. Während sie an Perec vorbei nach oben baumelte, starrte sie ihn an. Sie machte ein blödes, verdutztes Gesicht; das künstliche Gebiss war ihr halb aus dem Mund gerutscht. Dann war sie auch schon durch die Luke verschwunden. Er ruckte ein Mal an dem Seil, um zu prüfen, ob die Bremse hielt, und schwang sich an ihrem Plastikkokon vorbei ebenfalls wieder hinauf.
    Er war so müde, dass er eine ganze Weile nur dasaß und zusah, wie sie hin und her pendelte. Ihre Kleidung und ihr Gewicht hatten sich nach unten verlagert und den Kokon ausgebeult, so dass sie sehr an einen geräucherten Schinken erinnerte. Was Perec ziemlich witzig fand. Maman mochte Schinken, sagte aber immer, er sei zu teuer.
    Er zog das andere Ende des Seils nach oben, hockte sich vor den Computer und googelte nach den Preisen für ein Flugticket nach Frankreich.

19
    »Bloß, weil du den Hals nicht vollkriegen kannst«, sagte Chanterelle. »Deswegen hat er dich aufgeschlitzt.«
    »Soll ich dir verraten, wieso er mich aufgeschlitzt hat?«, fragte Special. »Weil ich dem Irren die Kohle abknöpfen wollte, die du hättest kassieren müssen. Darum hat er mich fast filetiert.«
    Sie kamen aus dem Krankenhaus und wollten zu Chanterelles Wagen, der auf dem Parkplatz stand. Special konnte vor Schmerzen kaum laufen. Jeder Schritt tat ihm weh. Das Atmen tat ihm weh. Ihm war nicht nach reden zumute. Am liebsten hätte er ihr eine Gesichtsmassage verpasst, aber die Ärzte hatten ihn vor hastigen Bewegungen gewarnt. Als ob er da nicht von selber draufgekommen wäre.
    »Was machen die Mädels?«, fragte er sie.
    »Eddie hat sich ein bisschen um uns gekümmert.«
    »Wenn ich eine von euch Nutten mit diesem Hartgeldluden erwische, landet ihr mit ihm zusammen im Krankenhaus.«
    »Ist doch klar, dass er sich an uns ranmacht, wenn er hört, dass du weg vom Fenster bist.«
    »Sehe ich so aus, als wäre ich weg vom Fenster? Und wenn mir meine Leber bis auf die Füße baumeln würde, diesen Bananenwichser mach ich immer noch fertig, und zwar mit Links. Hirnverbrannte Weiber! Von mir aus kann Eddie dich gleich mitnehmen. Was hab ich denn von dir außer Ärger? Wie blöd kann man sein, dass

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