Nächte in Babylon
rieb sich die Hände mit Magnesia ein und kletterte los. Auf der Hälfte der Strecke verlor er den Halt und landete platt auf der Matte, wie eine von einer Schrotladung getroffene Ente. Dann eben noch einmal von vorne. Nach dem Job für die nervigen Amis (denn dass sie nerven würden, stand für ihn sowieso fest) würde er genug Geld in der Tasche haben, um sich die Bergtour in den Dolomiten leisten zu können. Er würde einen Führer anheuern und zwei Wochen unter freiem Himmel klettern: keine Städte, keine Autos, keine Amis.
Paradiesische Aussichten.
Vignon wartete am Flughafen, als die Maschine landete. Eine kleine Goldstar – garantiert gerammelt voll mit dem gesamten Hausrat. Ah, diese Amerikaner! Die Beduinen der westlichen Zivilisation. Zum Glück war die Frau ein Filmstar, so dass natürlich niemand ihr Gepäck überprüfen würde. Man wollte ja um Gottes willen nichts finden. Eine Mitarbeiterin der Festspiele sorgte dafür, dass alles reibungslos über die Bühne ging.
Vignon war da, weil er für die Sicherheit des Stars verantwortlich war. Allerdings hatte er soeben erfahren müssen, dass die Frau ihren eigenen Bodyguard mitgebracht hatte. Aber logisch. Wahrscheinlich irgend so ein windiges Jüngelchen von einem Toyboy, den man zum Leibwächter ernannt hatte, damit er auf Festivalkosten mit anreisen durfte. Doch zu seiner Überraschung stieg sie in Begleitung einer kleineren, nervöseren Kopie ihrer selbst und einem Hünen von Mann aus der Maschine.
Nachdem sich die Festivalmitarbeiterin, Eva Schmidt, vorgestellt hatte, ließ sie sich von der Flugbegleiterin die Pässe aushändigen und machte die Neuankömmlinge mit Vignon bekannt. Allgemeines Händeschütteln. Ein Blick in das ramponierte Gesicht des großen Amerikaners genügte, und Vignon war sich ziemlich sicher, dass der Mann genau das war, als das er sich ausgab. Nun stellte sich natürlich die Frage, was zum Teufel er hier wollte.
»Vignon ist während Ihres Aufenthaltes für Ihre Sicherheit zuständig«, sagte Mademoiselle Schmidt. »Darüber hat man Sie informiert?«
»Ja«, antwortete Pam. »Das ging aus den E-Mails hervor.«
»Ich möchte, dass Mr. Spandau die Sache übernimmt«, verkündete Anna. »Er wird alles koordinieren.«
Vignon und Mademoiselle Schmidt wechselten einen erstaunten Blick.
»Das wird leider nicht möglich sein«, sagte die Frau. »Dafür ist Monsieur Vignon zuständig. Er ist ehemaliger Polizeibeamter und sehr erfahren. Er kennt die Stadt wie seine Westentasche.«
»Ist mir egal«, gab Anna zurück. »Und wenn er General Douglas MacArthur im Ballettröckchen wäre. Mr. Spandau sagt, wo es langgeht.«
»Ich denke, Mademoiselle Schmidt möchte auf etwas anderes hinaus«, mischte sich Vignon ein. »Und zwar auf das kleine Problem einer Lizenz. Nach französischem Recht muss Mr. Spandau überprüft und registriert sein. Und er dürfte unter gar keinen Umständen eine Waffe tragen.«
»Sieht er etwa so aus, als ob er eine Kanone nötig hat?«, fragte Anna.
Vignon zückte seine Trumpfkarte. »Und dann wäre da ja auch noch das Sprachproblem. Vous parlez français, non ?«, sagte er zu Spandau. Der schüttelte den Kopf und wurde zu allem Überfluss auch noch rot. Vignon lächelte. »Sehen Sie?«
»Wo ist unser Wagen?«, sagte Anna und hielt schon auf den Ausgang zu.
Die Villa war früher ein Weingut gewesen, spezialisiert auf einen sehr leichten, spritzigen Rosé, der einen ganz vorzüglichen Ruf genoss. Warum die Produktion trotzdem irgendwann eingestellt worden war, wusste niemand. In den Fünfzigerjahren wurde das Gut an einen englischen Lord verkauft, der seinen Wohnsitz dorthin verlegte, aber weder die Feuchtigkeit noch die Skorpione vertrug. Danach wechselte es noch drei Mal den Besitzer, bis es in den Achtzigern von einem amerikanischen Ehepaar erworben und von Grund auf renoviert wurde. Sie engagierten für den Umbau einen berühmten italienischen Architekten, der das Gebäude komplett entkernen und hinter der intakten Fassade einen praktisch vollkommen neuen, zweistöckigen Bau errichten ließ, der ringsum bis auf sechzig Zentimeter an die steinernen Außenmauern heranreichte. Der Zwischenraum diente dem Schutz und der Belüftung, ähnlich der Doppelverglasung eines Fensters. Damit war das Feuchtigkeitsproblem gelöst, und man hatte ausreichend Platz für die ultramoderne Klimaanlage und die sanitären Installationen, ohne die ein Amerikaner anscheinend nicht überleben kann. Die Lösung war genial. Wenn
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