Naechtliche Versuchung - Roman
Eindringlich schaute sie in seine hellblauen Augen. »Versteh doch - ich darf ihn nicht sterben lassen.«
»Welch ein Unsinn, Amanda«, seufzte Nick, »er wird nicht sterben.«
»Geben Sie mir den Autoschlüssel«, verlangte sie und griff in die Tasche seiner Jacke, die neben ihr lag. »Wenn Sie nicht mitkommen, fahre ich eben allein los.«
»Dann würde Kyrian meinen Kopf abreißen.«
»Das kann er nicht, wenn die Daimons ihn umbringen.«
Er starrte sie offenbar verunsichert an. Schließlich holte er sein Handy hervor und wählte eine Nummer.
»Da sehen Sie’s, Nick, er meldet sich nicht.«
»Um diese Zeit, mitten in der Nacht, bedeutet das gar nichts. Wahrscheinlich kämpft er gerade gegen Daimons.«
»Oder er ist ernsthaft verletzt.«
Nick nahm seinen PDA aus seinem Gürtel und knipste ihn an. Nach ein paar Sekunden erblasste er.
»Was ist los?«, fragte Amanda.
»Sein Tracer ist abgeschaltet.«
»Und was hat das zu bedeuten?«
»Dass ich ihn nicht aufspüren kann. Kein dunkler Jäger stellt seinen Tracer ab, der ist seine Rettungsleine, falls er in Gefahr schwebt.« Nick sprang auf und schlüpfte in seine Jacke. »Gehen wir.«
Hastig trat ihr Vater vor die Tür und versperrte ihm die Tür. Er war ebenso groß wie Nick, und sein ganzer Körper spannte sich kampfbereit an. »O nein, Sie werden mein Baby nicht mitnehmen und diesen Monstren ausliefern.«
Amanda schob sich an Nick vorbei und küsste die Wange ihres Vaters. »Keine Bange, das ist schon okay, Daddy. Ich weiß, was ich tue.«
Beschwörend schaute sie in seine Augen und las unverhohlene Skepsis darin.
»Lass sie gehen, Tom«, sagte ihre Mutter von der Couch her. »Heute Nacht droht ihr keine Gefahr, ihre Aura ist rein.«
»Bist du sicher, Mom?«, fragte Amanda, und ihre Mutter nickte.
Immer noch voller Unbehagen, seufzte Tom Devereaux. »Passen Sie bloß gut auf sie auf, Nick.«
»Natürlich. Ich bin für Amandas Wohl verantwortlich. Und ich muss mich vor einer viel unbarmherzigeren Person rechtfertigen als vor Ihnen.«
Nur widerwillig gab Tom den Weg zur Tür frei.
Amanda rannte durch das Krankenhaus zum Parkplatz, dicht gefolgt von Nick.
Sobald sie im Jaguar saßen, versuchte sie sich an ihre Vision
zu erinnern. Wo hatte sie Kyrian gesehen? »In einem kleinen, dunklen Hof …«
»So was gibt’s in New Orleans zuhauf, chère«, stöhnte Nick, »das sagt mir gar nichts.«
»Vermutlich im French Quarter. Aber ich weiß es nicht genau, verdammt …« Die Augen zusammengekniffen, suchte sie die schwach beleuchteten Straßen ab, durch die sie fuhren. »Könnten wir einen dunklen Jäger anrufen und um Hilfe bitten? Vielleicht Talon …«
»Nein, der ist hinter seiner eigenen Beute her.« Nick gab ihr sein Handy. »Drücken Sie auf Wahlwiederholung, und versuchen Sie Kyrian zu erreichen.«
Sie erfüllte seinen Wunsch, sogar mehrmals, bekam aber keine Antwort.
Während der Morgen graute, wuchs ihre Verzweiflung. Wenn sie Kyrian nicht bald fanden, würde er im Tageslicht sterben. In ihrer Angst tat sie, was sie noch nie gewagt hatte. Den Kopf zurückgelehnt, drang sie in die Tiefe ihrer Seele vor, um die ganze Kraft ihrer bisher ungenutzten Fähigkeiten zu aktivieren. Eine gewaltige Welle durchströmte und erschütterte ihren Körper. Vor ihrem geistigen Auge schwebten Bilder, teils alte, teils undefinierbare.
Als sie schon glaubte, sie würden ihr nichts verraten, erschien eine klare Vision. »Die St. Philip Street«, wisperte sie. »Dort werden wir ihn finden.«
Kurz danach parkte Nick in der St. Philip Street, und sie stiegen aus dem Wagen.
Welcher Ahnung Amanda folgte, wusste sie nicht. Jedenfalls führte sie Nick durch eine Seitengasse in einen dunklen Hof, den sie vergeblich absuchten.
»Verdammt, Amanda, hier ist er nicht«, stieß Nick hervor.
Doch sie hörte ihm nur mit halbem Ohr zu, folgte ihrem Instinkt und eilte um eine hohe Hecke herum. Wie erstarrt blieb sie stehen.
Zusammengesunken hing Kyrian an einem Zaun.
»Oh, mein Gott!«, flüsterte sie, lief zu ihm und kniete nieder. Behutsam hob sie seinen Kopf hoch und sah sein blutüberströmtes Gesicht. So grausam hatten sie ihn geschlagen, dass er kaum die Lider heben konnte.
»Amanda?«, murmelte er. »Bist du’s wirklich? Oder träume ich?«
In ihren Augen brannten Tränen. »Ja, Kyrian, ich bin’s.«
Fluchend beugte sich Nick hinab, um einen der Nägel in Kyrians Hand zu berühren. Aber er zog seine Finger sofort zurück, weil er seinem Boss nicht noch
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