Naechtliche Versuchung - Roman
hat seine eigenen Qualitäten.«
»Dann wünschte ich, du hättest andere Qualitäten zu bieten.«
»Okay, ich werde deine Gedanken nicht mehr lesen.«
Trotz seines Macho-Gehabes und seiner Angeberei erkannte sie seinen inneren Anstand. »Du bist ein guter Mann, dunkler Jäger.«
»Ein guter Vampir, meinst du …«
»Gewiss. Aber du saugst keinem Menschen das Blut aus.«
Seine Mundwinkel zuckten. »Hat Julian dir das erzählt?«
»Ja. Und er erwähnte auch, dieser Teil des Fluchs sei den dunklen Jägern erspart worden, im Gegensatz zu den Apolliten.«
»Nur zu deiner Information …« Kyrians Stimme nahm einen düsteren Klang an. »Um zu überleben, brauchen wir kein Blut. Aber einige dunkle Jäger, die sogenannten Gierschlunde, trinken es sehr gern.« Er wechselte die Gänge. »Offenbar habt ihr letzte Nacht zu viel geredet, Julian und du.«
»Mag sein.« Neuerdings waren die dunklen Jäger ihr Lieblingsthema. Die ganze Nacht hatte sie den armen Julian um den Schlaf gebracht und mit Fragen bestürmt. »Stimmt es, dass die Daimons nur siebenundzwanzig Jahre leben?«
Kyrian nickte. »Deshalb sind sie so gefährlich. Die meisten Apolliten würden alles tun, um einen einzigen zusätzlichen Tag zu ergattern.«
Daher besaßen die dunklen Jäger, laut Julian, keine Seelen. Das verwehrte den Daimons, die stärksten Seelen zu rauben. Je kräftiger die Seelen waren, die sich die Daimons aneigneten, desto länger genossen sie ihre geliehene Zeit.
»In dir würden die Daimons eine besonders kostbare Beute sehen«, fügte Kyrian hinzu. »Wenn sie deine Seele stehlen, würden sie auch deine übersinnlichen Gaben besitzen.«
»Die habe ich nicht.«
»Okay, wenn es dich glücklich macht, mich zu belügen …«
»Ich lüge nicht!«, verteidigte sie sich. »Eigentlich bin ich völlig unbegabt. Abgesehen von meinem Gespür für Zahlen.«
»Alles klar, du Zahlengenie, ich glaube dir.«
Das mochten seine Worte ausdrücken - seine Stimme sagte etwas anderes. Erbost über diesen starrsinnigen Mann, dirigierte sie ihn zu ihrem Haus.
Während sie sich dem Ziel näherten, sah sie dichte graue Wolken in den Nachthimmel steigen. »Ist da ein Feuer ausgebrochen?«
»Offensichtlich.«
»O nein!«, stöhnte sie, als sie Flammen aus ihrem Haus schlagen sah.
Statt anzuhalten, fuhr Kyrian weiter die Straße hinab, zu Tabithas Haus, das ebenfalls brannte.
Sobald er auf die Bremse trat, zerrte Amanda am Türgriff, die Augen voller Tränen. »Tabitha!«, schrie sie, denn sie fürchtete, ihre Schwester würde sich in diesem Flammenmeer aufhalten.
Blitzschnell sprang Kyrian aus dem Wagen und rannte zu dem brennenden Gebäude. Auch Amanda stieg aus, streifte ihre High Heels ab und stürmte zur Veranda. Aber auf blo ßen Füßen wagte sie sich nicht ins Haus.
»Kyrian!«, rief sie und versuchte durch die Flammen zu spähen. »Tabitha!«
O Gott, hoffentlich ist sie noch im Büro ...
Während sie auf Kyrians Rückkehr wartete, raste ein Motorrad durch Tabithas Vorgarten. Mit kreischenden Bremsen hielt es bei den Verandastufen. Ein Mann riss seinen schwarzen Helm vom Kopf, warf ihn zu Boden und rannte zur Tür, so schnell, dass sie sein Gesicht nicht erkannte. Im selben Moment kam der dunkle Jäger mit Tabithas Wohngenossin auf den Armen heraus.
Amanda folgte ihm zum Rasen, wo er Allison behutsam niederlegte. »Beruhige dich, deine Schwester ist nicht da drin«, erklärte er. Dann neigte er sich zu der bewusstlosen Allison hinab. »Offenbar hat sie eine ganze Menge Rauch eingeatmet.« Er schaute sich um, sah die Nachbarn, die sich auf der Straße versammelt hatten. Aber niemand trat vor. »Wo bleibt die verdammte Ambulanz?«, rief er.
Nun rannte Terminator zu ihnen, leckte Allisons Gesicht und dann Amandas Hand ab.
Geistesabwesend streichelte sie den schwarz-weißen Hund
und blickte zu dem Motorradfahrer auf, der genauso fantastisch aussah wie der dunkle Jäger. Mit einem einzigen Unterschied - eine ätherische, fast mystische Aura umgab ihn. Sein blondes Haar war kurz geschnitten, bis auf zwei lange Zöpfe, die von der linken Schläfe zur Brust hinabfielen. Auf seiner Biker-Jacke mit dem zugezogenen Reißverschluss prangten rotgoldene keltische Schriftzeichen, eine dicke Goldkette schmückte seinen Hals. Er kniete neben Kyrian nieder und hielt eine behandschuhte Hand über Allisons Brust. »In dieser Flammenhölle wurden ihre Lungen versengt.«
»Kannst du ihr helfen, Talon?«, fragte Kyrian.
Der Mann nickte, zog seine
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