Naechtliches Schweigen

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noch nicht, wann ich es schaffe wiederzukommen.«
    »Vielleicht wegen des Films?«
    »Film?«
    »Ja, die Dreharbeiten beginnen in ein paar Wochen in London, und danach werden hier Aufnahmen gemacht. Der Film«, fuhr er fort, als sie ihn verständnislos ansah, »der auf dem Buch deiner Mutter basiert. Angie wirkt mit, Angie Parks.« An ihrem Gesicht konnte er ablesen, dass er einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte. »Tut mir leid, Emma. Ich dachte, du wüsstest das.« »Nein«, erwiderte sie erschöpft. »Ich wusste es nicht.«
    Beim ersten Läuten griff er zum Telefonhörer. Stundenlang hatte er, vor Aufregung schweißnass, neben dem Telefon gesessen und gewartet. »Ja?«
    »Ich habe sie gefunden.« Die Stimme, die ihm so vertraut war, bebte.
    »Und?«
    »Sie hat diesen Cop, Kesselring, aufgesucht. Über eine Stunde war sie da. Dann ist sie zu diesem gottverfluchten Haus gefahren. Wir müssen etwas unternehmen, und zwar schnell. Ich hab's dir schon immer gesagt.«
    »Nimm dich zusammen.« Der Tonfall war brüsk, doch seine Hand zitterte, als er nach einer Zigarette griff. »Sie war also an dem Haus. Ist sie hineingegangen?«
    »Das Scheißding steht zum Verkauf. Sie und der Typ, den sie dabeihatte, sind glatt reingekommen.«
    »Was für ein Typ? Wer war dabei?«
    »Ich glaube, das war der Sohn von dem Cop.«
    »Gut.« Er machte sich eine Notiz. »Wo sind sie dann hingefahren?«
    »Zu so einer verdammten Imbißbude.«
    Die Bleistiftspitze brach ab. »Wie bitte?«
    »Ich sagte, sie haben sich Hamburger geholt. Danach haben sie mich abgehängt. Aber ich weiß, wo sie übernachtet. Ich kann jemanden beauftragen, sich um die Sache zu kümmern. Schnell und schmerzlos.«
    »Sei kein Idiot. Dazu besteht kein Anlass.«
    »Ich sag dir doch, sie hat diesen Cop besucht.«
    »Ich habe dich schon verstanden.« Seine Hand war ganz ruhig, als er sich einen Drink einschenkte. Zum Vergnügen, nicht, um seine Nerven zu beruhigen. »Denk nach, um Himmels willen. Wenn sie sich an irgend etwas erinnert hätte, wäre sie dann in aller Ruhe Hamburger essen gegangen?«
    »Ich denke nicht...«
    »Du denkst nie, darin besteht dein Problem. Sie hat sich damals nicht erinnert, und sie erinnert sich heute nicht. Vielleicht war dieser Abstecher ihr letzter verzweifelter Versuch,
    Licht in das Dunkel zu bringen, oder, wahrscheinlicher noch, reine Sentimentalität. Es gibt keinen Grund, Emma etwas anzutun.«
    »Und wenn sie sich doch noch erinnert?«
    »Unwahrscheinlich. Jetzt hör mir zu, und zwar ganz genau. Das erstemal war es ein Unfall, ein tragischer, nicht vorhersehbarer Unfall. An dem du schuld bist.« .
    »Die ganze Sache war deine Idee!«
    »Genau, da ich von uns beiden der einzige bin, der Grips im Kopf hat. Aber es war ein Unfall. Ich habe nicht die Absicht, einen vorsätzlichen Mord zu begehen. Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.«
    »Du bist ein eiskalter Hurensohn!«
    »Ja.« Er lächelte. »Ich empfehle dir, das nicht zu vergessen.«

19
    In London fiel Schnee. Dicke, nasse Flocken schwebten vom Himmel, durchnässten den Kragen und schmolzen kalt auf der Haut. Fast fühlte man sich in eine Weihnachtspostkarte versetzt - wenn man sich nicht gerade durch den dichten Verkehr der King's Road kämpfte.
    Emma zog es vor, zu Fuß zu gehen. Sweeney war von ihrer Entscheidung sicher nicht sehr angetan, aber sie hatte Besseres zu tun, als sich um ihn Gedanken zu machen. Der Zettel mit der Adresse steckte in der Tasche ihres dicken Steppmantels, obwohl diese Gedächtnisstütze überflüssig war. Sie kannte die Adresse auswendig.
    Seltsam, sich als erwachsene Frau, der es freistand zu gehen, wohin es ihr beliebte, durch Chelsea zu bewegen. Sie kam sich in London wie eine Touristin vor, und Chelsea war ihr so fremd wie die Kanäle von Venedig.
    In den Straßen reihte sich eine Boutique an die andere. Antiquitätengeschäfte lockten gutgekleidete Passanten an, die in letzter Minute noch Weihnachtsgeschenke besorgen mussten und hilflos vor der riesigen Auswahl standen. Junge Mädchen in dicken Sweatshirts begutachteten lachend die Auslagen. Junge Männer standen fröstelnd in den Hauseingängen herum und bemühten sich, gelangweilt und blasiert zugleich zu wirken.
    Am Sloane Square trotzte ein Blumenverkäufer dem Schnee und vermittelte die Illusion, man könne sich gegen harte Münze einen Hauch von Frühling ins Wohnzimmer holen. Die Farben und der Duft hatten Emma in Versuchung geführt, doch dann war sie weitergegangen, ohne in ihrem