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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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müsse den Himmel walten lassen. Sein einziger Wunsch sei, wenn er sich dem Grafen und der Gräfin wieder nähere, daß ein öffentlicher Skandal vermieden werde. Die Religion ist nachsichtig gegen die Schwächen der Menschen, wenn nur die Schicklichkeit gewahrt wird.
    Aber schließlich, sagte Madame de Joncquoy, hätten Sie doch die Ehe mit diesem Abenteurer verhindern sollen.
    Der kleine Greis nahm eine sehr erstaunte Miene an.
    Sie irren sich; Herr Daguenet ist ein sehr verdienstvoller junger Mann ... Seine Ansichten sind mir bekannt. Er ist entschlossen, die Verirrungen seiner Jugend gutzumachen. Estella wird ihn leiten; Sie können dessen sicher sein.
    Ach Estella ... machte Madame Chantereau im Tone der Mißachtung. Ich glaube, die Kleine hat gar keinen eigenen Willen. Sie ist unbedeutend ...
    Diese Meinung entlockte Herrn Venot ein Lächeln. Im übrigen sprach er sich über die Braut nicht weiter aus. Er schloß die Augen zur Hälfte und verlor sich wieder in seinen Winkel hinter den Röcken der Frauen. Madame Hugon hatte in ihrer Erschöpfung einige Worte dieses Gespräches aufgefangen. Sie mischte sich in das Gespräch und sagte zum Marquis, der sie in diesem Augenblick begrüßte, nachsichtig:
    Die Damen sind zu streng. Das Leben ist schwer und voll Versuchungen für jeden. Nicht wahr, mein Freund: Man muß den anderen viel vergeben, wenn man selbst der Vergebung würdig sein will?
    Der Marquis war einen Augenblick in Verlegenheit; er fürchtete, dies sei eine Anspielung. Doch die gute Dame lächelte dazu so schmerzlich, daß er sich bald faßte und sagte:
    Nein; für gewisse Vergehen gibt es keine Verzeihung. Eine solche Nachsicht wäre geeignet, eine ganze Gesellschaft in das Verderben zu stürzen.
    Der Ball war inzwischen noch lebhafter geworden. Der Fußboden des Salons bebte unter einer neuen Quadrille, als ob das alte Haus von dem Getöse dieses Festes erschüttert worden sei. Unter den weißen Gesichtern trat da und dort das Antlitz einer Dame hervor, gerötet vom Tanze, mit leuchtenden Augen und dem Glanze des Gaslichtes auf der weißen Haut. Madame de Joncquoy erklärte, das Ganze habe keinen Sinn. Es sei eine Torheit, fünfhundert Personen in ein Haus einzuladen, wo kaum zweihundert Platz hätten. Da habe man lieber gleich auf dem Karusselplatz den Ehevertrag unterzeichnen sollen. Das brächten die neuen Sitten mit sich, bemerkte Madame Chantereau. Vormals gingen solche feierliche Akte im Familienkreise vor sich; heute brauche man eine große Menge dazu. Die ganze Straße trete ohne weiteres in den Salon; man glaube, das Fest sei unvollständig, wenn nicht einer dem anderen auf die Hühneraugen trete. Man hänge den Luxus seines Hauses an die große Glocke; man führe den Abschaum von Paris bei sich ein; kein Wunder, wenn ein solches Gemengsel hinterher den häuslichen Herd verunreinige. Die Damen klagten denn auch, daß sie nicht fünfzig Personen in der ganzen Gesellschaft kennten. Woher kommen alle diese Leute? Junge Mädchen tragen ihre nackten Schultern zur Schau. Eine der Damen trägt einen goldenen Pfeil, während eine Perlenstickerei sie wie mit einem Netzpanzer umhüllt. Eine andere hat so enganliegende Röcke, daß man sie nicht ohne Lächeln ansehen kann. Die Frau des Hauses versammelt allerlei Tagesbekanntschaften um sich; die besten Namen neben der größten Schmach, alles von der gleichen Genußsucht ergriffen. Die Hitze stieg immer mehr, die Quadrille entrollte ihre gleichmäßigen Figuren inmitten der überfüllten Säle.
    Die Gräfin ist sehr schick, sagte La Faloise an der Salontür; sie sieht um zehn Jahre jünger aus als ihre Tochter. Hören Sie mal, Foucarmont; Sie werden uns da Auskunft geben können; Vandeuvres hat gewettet, sie habe keine Waden.
    Diese Roheit verdroß die Herren. Foucarmont begnügte sich zu sagen:
    Fragen Sie Ihren Vetter, mein Lieber, da kommt er eben.
    Schau, das ist eine Gedanke, rief La Faloise. Ich wette zehn Louis, daß sie Waden hat.
    Fauchery kam herbei. Als Freund des Hauses war er durch den Speisesaal gekommen, um dem großen Gedränge aus dem Wege zu gehen. Seit Beginn des Winters befand sich der Journalist wieder in den Banden Rosa Mignons, so daß er sich zwischen der Gräfin und der Sängerin teilen mußte. Dieses Leben ermüdete ihn sehr, doch wußte er nicht, in welcher Weise er sich von der einen oder der anderen befreien sollte. Sabine schmeichelte seiner Eitelkeit; Rosa amüsierte ihn mehr. Überdies liebte ihn die Schauspielerin mit

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