Nana
einer wahren Leidenschaft, mit einer fast ehelichen Treue, die Mignon fast zur Verzweiflung brachte.
Höre, wir wollen eine Auskunft von dir haben, sagte La Faloise, den Arm seines Vetters ergreifend. Siehst du die Dame dort in weißer Seide?
Seitdem seine Erbschaft ihm eine unverschämte Keckheit verlieh, erlaubte sich La Faloise öfter Späße mit seinem Vetter; er wollte sich in dieser Weise für die Neckereien rächen, mit denen Fauchery ihn plagte, als er aus der Provinz nach Paris gekommen war.
Ja, die mit Spitzen geschmückte Dame, fügte er hinzu, der Richtung folgend, in der Fauchery suchte.
Der Journalist erhob sich auf die Fußspitzen und begriff noch immer nicht.
Die Gräfin? sagte er endlich.
Ja. Ich habe zehn Louis gewettet, daß sie Waden hat. Ist's richtig?
Er lachte laut, entzückt darüber, daß es ihm gelungen war, diesem langen Burschen eins zu versetzen, der ihn einst mit der Frage, ob die Gräfin ihren Mann betrüge, so sehr außer Rand und Band brachte.
Doch Fauchery war keineswegs verwundert; er schaute ihm gerade ins Gesicht und sagte endlich ruhig:
Geh, blöder Kerl.
Dann wechselte er Händedrücke mit den Herren, während La Faloise, aus der Fassung gebracht, nicht ganz sicher wußte, ob er etwas Drolliges gesagt habe. Man plauderte. Seit den Wettrennen gehörten der Bankier und Foucarmont zur Gesellschaft des Hauses in der Villiers-Allee. Nana befand sich schon besser; der Graf kam allabendlich, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Fauchery hörte diesen Gesprächen mit zerstreuter Miene zu. Am Morgen hatte er einen Streit mit Rosa, bei welcher Gelegenheit die Schauspielerin ihm glatt erklärte, daß sie jenen Brief dem Grafen zugeschickt habe. Ja, er könne jetzt bei seiner noblen Dame erscheinen; er werde schön empfangen werden. Nach langem Zögern hatte er sich ein Herz gefaßt und war doch gekommen; doch der Scherz des La Faloise hatte ihn in seiner scheinbaren Ruhe gestört.
Was ist Ihnen? fragte Philipp. Sie scheinen nicht wohl zu sein?
Durchaus nicht ... Ich habe gearbeitet, deshalb komme ich so spät.
Dann fügte er mit jener kalten Gleichgültigkeit, die so oft die Tragödien des Alltagslebens auslöst, hinzu:
Ich habe die Herrin des Hauses noch nicht begrüßt; man darf nicht unhöflich sein. Und zu La Faloise gewandt:
Nicht wahr, du Rindvieh?
Er bahnte sich einen Weg durch die Menge. Die volltönende Stimme des Türstehers rief keine Namen mehr in den Saal. Dennoch standen der Graf und die Gräfin noch am Eingang des Saales im Gespräch mit mehreren Damen. Endlich konnte er sich ihnen nähern, während die Herren auf den Stufen, die in den Garten führten, verblieben, um der Szene beizuwohnen. Nana schien geschwatzt zu haben.
Der Graf hat ihn nicht bemerkt, murmelte Georges. Aufgepaßt, da ist er.
Das Orchester hatte eben den Walzer aus der »Blonden Venus« wieder angestimmt. Der Journalist grüßte zuerst die Gräfin, die in ihrem glücklichen Frohsinn stets lächelte. Dann stand er einen Augenblick unbeweglich hinter dem Grafen und wartete geduldig. Der Graf bewahrte an diesem Abend seinen ganzen Stolz, seine hohe Würde. Als er endlich auf den Journalisten herabblickte, übertrieb er noch seine majestätische Haltung. Die beiden Männer blickten einander einige Sekunden an. Fauchery reichte ihm zuerst die Hand; Muffat ergriff sie. Ihre Hände ruhten ineinander; die Gräfin lächelte mit gesenkten Augen; der Walzer tönte mit seinen schelmischen Klängen fort ...
Es geht ja vortrefflich, sagte Steiner.
Sind ihre Hände ineinander verflochten? fragte Foucarmont, überrascht von der langen Dauer ihres Händedruckes.
Eine unwillkürliche Erinnerung rötete in diesem Augenblicke die bleichen Wangen Faucherys. Er sah das Requisitenmagazin des Varietétheaters wieder mit seinem Zwielicht und seinem staubbedeckten Gerümpel. Und er sah den Grafen mit dem Eierbecher in der Hand und mit dem Argwohn kämpfend, der in ihm aufgetaucht. In dieser Stunde war es kein Argwohn, kein Zweifel mehr; der letzte Rest der Würde des Grafen Muffat ging unter. Fauchery, der seine Angst schwinden fühlte und die Gräfin heiter lächeln sah, bekam Lust, laut aufzulachen. Er fand die Lage höchst komisch.
Ah, da kommt ja auch Nana, rief La Faloise, der einen Scherz nicht unterdrücken konnte, wenn er ihn nur für gut hielt.
So schweig' doch, Idiot, murmelte Philipp.
Ich sage euch, sie kommt; man spielt ihr zu Ehren den Walzer aus der »Blonden Venus«; sie hat ja auch
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