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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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von ihm.
    Ach, dieser Mimi! ist der drollig! Hat er an das gedacht! Ich hatte es längst vergessen. Du hast dich also losgemacht; du kommst ja eben aus der Kirche; du riechst ja nach Weihrauch. So küsse mich doch. Stärker, mein Mimi, es ist vielleicht zum letzten Mal.
    In dem dunklen Zimmer, das noch geschwängert von dem Ätherduft war, verhallte langsam ihr zärtliches Lachen ... Daguenet konnte sich nicht lange aufhalten, er mußte nach dem Imbiß die Hochzeitsreise mit seiner jungen Frau antreten.
     

Dreizehntes Kapitel.
     
    Es war gegen Ende des Monats September. Graf Muffat, der an diesem Abende bei Nana speisen sollte, kam in der Dämmerung, um sie zu benachrichtigen, daß er plötzlich zum Dienste in die Tuilerien befohlen sei. Im Hause waren die Lichter noch nicht angezündet, die Dienerschaft unterhielt sich sehr geräuschvoll in der Küche. Der Graf stieg leise die Treppe empor, die in einem angenehmen Dunkel lag. Oben öffnete er geräuschlos die Salontür. An der Decke des Zimmers waren die letzten Strahlen der untergehenden Sonne zu sehen; die roten Vorhänge, die breiten Sofas, die Lackmöbel, diese ganze Fülle von gestickten Stoffen, Bronzen, Porzellan lag bereits im abendlichen Dunkel. Doch hier in dieser Dunkelheit, die durch nichts unterbrochen wurde als durch einen breiten, weißen Frauenrock, sah er Nana in den Armen Georges liegen. Da war kein Leugnen möglich. Er blieb betroffen stehen und stieß einen erstickten Schrei aus. Nana war mit einem Sprung in der Höhe und schob den Grafen in ihr Toilettezimmer, um den Kleinen Zeit zu lassen durchzugehen.
    Sie war in Verzweiflung über diese Überraschung. Noch nie hatte sie sich in dieser Weise im Salon bei offenen Türen vergessen. Sie mußte dem Grafen eine ganze Geschichte erzählen, um ihn zu besänftigen. Sie hatte einen großen Streit mit Georg gehabt, der wahnsinnig eifersüchtig auf seinen Bruder Philipp sei; er schluchzte so heftig an ihrem Halse, daß sie sehr gerührt war und nicht wissend, wie sie ihn besänftigen sollte, sich ihm überließ. Und gerade bei der einzigen Gelegenheit, wo sie sich diesem Burschen, der ihr ja nicht einmal einen Veilchenstrauß bieten konnte, so kurz wurde er von seiner Mama gehalten, hingab, gerade bei dieser einzigen Gelegenheit mußte der Graf sie überraschen; wahrhaftiges Pech. Das hat man davon, wenn man gut ist.
    Inzwischen war es in dem Zimmer, wohin sie den Grafen geschoben hatte, ganz finster geworden. Sie schellte wütend, um eine Lampe zu verlangen. Der Esel Julien ist an allem schuld; hätte er in den Salon eine Lampe gebracht, so wäre alles nicht geschehen.
    Ich bitte dich, mein Kätzchen, sei vernünftig, sagte sie, nachdem Zoé die Lampe gebracht hatte.
    Der Graf, noch immer außer sich über das, was er gesehen, saß, die Hände auf den Knien, und blickte starr auf den Boden. Kein Wutschrei entrang sich seiner Kehle; er zitterte, wie von Furcht geschüttelt. Dieser stumme Schmerz rührte Nana, sie versuchte ihn zu trösten.
    Nun ja, ich habe gefehlt; es war nicht recht von mir, was ich getan. Du siehst, ich bereue meine Schuld. Es tut mir weh, daß dich das kränkt. Sei nun auch vernünftig und vergib mir.
    Sie hatte sich zu seinen Füßen niedergehockt und suchte mit unterwürfiger Zärtlichkeit seinen Blick, um zu sehen, ob er noch zürne. Als sie sah, daß er sich nach einem tiefen Seufzer allmählich fasse, wurde sie schelmisch und sagte mit einer gewissen Gutmütigkeit:
    Schau, mein Lieber, du wirst begreifen ... Ich kann das meinen armen Freunden nicht verweigern.
    Der Graf ließ sich besänftigen; aber er forderte, daß sie Georges entferne. Alle Täuschung war vorbei; er glaubte nicht mehr an die geschworene Treue. Nana wird ihn am nächsten Tage wieder betrügen, und er hielt an ihr nur noch fest, weil der Gedanke, ohne sie zu leben, ihn unglücklich machte.
    Dies war jene Zeit in dem Leben Nanas, wo sie ganz Paris durch ihren Glanz blendete. Sie wuchs noch am Horizonte des Lasters und beherrschte die Stadt durch die Unverschämtheit, mit der sie ihren Luxus auf die Straße trug, durch ihre Verachtung des Geldes, in der sie große Vermögen mit Füßen trat. Ihr Haus schien ein ewiger Feuerherd zu sein, auf dem ihre unendlichen Begierden flackerten. Ein Hauch von ihren Lippen verwandelte das Gold in einen feinen Staub, den der Wind Stunde um Stunde davontrug. Niemals hatte man eine solche Wut, das Geld auszugeben, gesehen. Das Haus schien über einem Abgrund erbaut zu sein,

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