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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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eine Anleihe machen, oder sie verschaffte sich selbst das Geld, wie sie eben konnte. Doch bevor sie zu den äußersten Mitteln Zuflucht nahm, wandte sie sich gewöhnlich an ihre Freunde und entlieh von ihnen scherzhaft, was sie eben bei sich hatten, oft einige Sous. Seit drei Monaten säckelte sie in dieser Weise Philipp Hugon aus. In solchen kritischen Momenten konnte er nicht mehr in ihrem Hause erscheinen, ohne sein Portemonnai zurückzulassen. Durch die Übung kühn gemacht, verlangte sie von ihm bald zweihundert, bald dreihundert Franken, selten mehr, um kleine Rechnungen, dringende Schulden zu bezahlen. Und Philipp, der seit dem Monat Juli zum Kapitänschatzmeister ernannt war, brachte jedesmal am folgenden Tage das Geld, wobei er sich noch entschuldigte, daß er nicht reich genug sei, um ihr das Verlangte aus eigener Tasche zu bieten, da Madame Hugon jetzt ihre Söhne sehr knapp hielt. Nach Verlauf von drei Monaten erreichten die kleinen Darlehen eine Höhe von zehntausend Franken. Der Kapitän lachte noch immer dazu, aber er wurde dabei sichtlich mager, schien oft zerstreut, ein Schatten des Leidens lag auf seinem Gesicht. Doch ein Blick von Nana genügte, um ihn völlig umzuwandeln und in eine Art von sinnlicher Verzückung zu versetzen. Sie war sehr zärtlich zu ihm, betäubte ihn mit kleinen Liebkosungen hinter allen Türen, fesselte ihn durch plötzliche Hingabe, die ihn an ihre Röcke festband, jeden Augenblick, den ihm sein Dienst frei ließ.
    Als Nana eines Abends sagte, daß sie auch Therese heiße, und daß ihr Namensfest auf den 15. Oktober falle, schickten alle Herren ihr Geschenke. Auch Kapitän Philipp brachte das seinige, eine alte Konfektbüchse von sächsischem Porzellan mit Goldverzierung. Er traf sie allein in ihrem Toilettezimmer, eben aus dem Bade steigend, mit einem großen Badetuch von weiß- und rotgestreiftem Flanell umhängt und aufmerksam die auf dem Toilettetisch ausgebreiteten Geschenke betrachtend. Schon hatte sie ein Flakon von Bergkristall zerbrochen, indem sie es zu entkorken versuchte.
    Du bist sehr liebenswürdig, sagte sie. Zeig' einmal! ... Du bist ein Kind, daß du dein Geld für solche Kleinigkeiten ausgibst ...
    Sie zankte ihn aus, weil er nicht reich sei, im Grunde war sie entzückt darüber, daß er all sein Geld für sie ausgab, was in ihren Augen der einzige Liebesbeweis war.
    Inzwischen bearbeitete sie die Konfektbüchse, indem sie sie immer wieder öffnete und schloß, um zu sehen, wie stark das Ding sei.
    Gib acht, es ist gebrechlich, murmelte er.
    Sie zuckte die Achseln. Glaubt er etwa, sie habe Hände wie ein Lastträger? Plötzlich blieb ihr der untere Teil in der Hand; der Deckel aber fiel zu Boden und zerbrach.
    Sie stand sprachlos da und starrte auf die Scherben am Boden.
    Ach, es ist zerbrochen, sagte sie.
    Dann begann sie zu lachen. Die Scherben am Boden kamen ihr drollig vor. Es war eine nervöse Heiterkeit, das dumme, boshafte Gelächter eines Kindes, das am Zerstören seine Freude hat. Philipp war einen Augenblick empört; die Unglückliche wußte nicht, welchen Kummer die Erwerbung dieser Kleinigkeiten ihn kosteten. Als sie ihn so bekümmert sah, versuchte sie, an sich zu halten.
    Ei, war's denn meine Schuld? sagte sie dann. Das war ja nur zusammengeleimt; diese alten Sachen sind so gebrechlich.
    Und sie brach von neuem in Gelächter aus; aber als sie sah, daß seine Augen sich mit Tränen füllten, fiel sie ihm um den Hals.
    Sei nicht kindisch, rief sie; ich liebe dich dennoch. Was täten die Kaufleute, wenn man nichts zerbräche? All das ist nur gemacht, um zu zerbrechen und zu zerreißen. Schau, beispielsweise dieser Fächer ...
    Sie nahm einen Fächer vom Tische und zog ihn in einer Weise auseinander, daß er sofort in der Mitte zerriß. Das schien sie noch mehr aufzuregen. Um ihm zu zeigen, daß sie die anderen Geschenke gering achte, machte sie sich den Spaß, die ganze Sammlung zu zertrümmern, indem sie ihm so gleichsam den Beweis lieferte, daß nicht ein einziger Gegenstand fest sei. Dabei leuchteten ihre Augen; die Lippen waren aufgeworfen, daß die weißen Zähne hindurchschimmerten.
    Dann, als alles in Scherben war, schlug sie mit der flachen Hand auf den Tisch und rief mit lautem Gelächter:
    Nichts ist mehr da, nichts ...
    Philipp, mitgerissen von diesem Taumel, wurde nun auch lustig, er beugte sie zurück und küßte ihren Busen. Sie überließ sich ihm, hängte sich an seine Schultern und war sehr zufrieden; sie konnte sich gar nicht

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