Nana
schien.
Zoé, Zoé, wo bist du? Komm doch herauf! Oh, du hast keine Idee! Das ist feenhaft!
Zoé ging murrend hinauf. Sie fand Madame auf dem Dache, auf eine aus Ziegeln erbaute Rampe gestützt und das Tal betrachtend, das zu ihren Füßen sich ausbreitete. Der Gesichtskreis war unendlich, aber in graue Dünste getaucht; ein heftiger Wind peitschte einen feinen Regen vor sich her. Nana mußte mit beiden Händen ihren Hut halten, damit der Wind ihr ihn nicht entführe, während ihre Röcke geräuschvoll im Winde flatterten.
Ach nein, sagte Zoé, indem sie sofort wieder die Nase zurückzog, Madame werden ja davongeweht. Ist das ein Hundewetter.
Madame hörte nichts. Sie neigte sich über die Rampe und betrachtete die Besitzung. Es waren sechs bis acht Morgen Landes, alles von einer Mauer eingeschlossen. Der Anblick des Gemüsegartens nahm sie völlig gefangen. Sie rannte hinunter, trieb Zoé vor sich her und rief:
Kohlhäupter so groß wie mein Kopf. Und Salat, Zwiebeln, kurz alles. Komm rasch.
Der Regen wurde heftiger. Sie öffnete ihren Sonnenschirm von weißer Seide und lief so durch die Alleen.
Madame werden sich krank machen, rief Zoé, die ruhig auf den Stufen der Halle zurückgeblieben war.
Doch Madame wollte alles sehen. Bei jeder neuen Entdeckung brach sie in Rufe der Bewunderung aus.
Zoé, Spinat. So komm doch ... Oh, Artischocken! Wie drollig, die Artischocken blühen also! Was ist denn das? ... Das kenne ich nicht! Komm, Zoé, vielleicht kennst du es?
Die Zofe rührte sich nicht. Madame scheint von einer wahren Wut ergriffen zu sein. Jetzt floß der Regen in Strömen. Der kleine weiße Seidenschirm war ganz schwarz geworden und bot ihr keinen Schutz, so daß von ihren Röcken das Wasser floß. Das störte sie nicht. Sie besichtigte den Gemüsegarten, den Obstgarten, blieb vor jedem Baume stehen, neigte sich über jedes Gemüsebeet. Dann lief sie zum Brunnen, um auch dahinein einen Blick zu tun, hob einen Korb von der Erde, um zu sehen, was es darunter gebe und verlor sich schließlich in der Betrachtung einer großen Eidechse. Sie wurde von dem Verlangen verzehrt, überall zu sein, alldies sofort in Besitz zu nehmen, diese Herrlichkeiten, von denen sie geträumt hatte, zur Zeit, da sie als arme Arbeiterin das Pariser Pflaster trat. Der Regen floß jetzt mit verdoppelter Stärke; sie fühlte ihn nicht und war nur darüber betrübt, daß der Abend hereinbrach. Sie sah nichts mehr und betastete nur mehr die Dinge. Plötzlich entdeckte sie bei dem Zwielichte der Dämmerung einen Erdbeerenstrauch. Sie brach in ein wahrhaft kindliches Freudengeschrei aus.
Erdbeeren, Erdbeeren sind da! Ich rieche sie. Zoé, rasch einen Teller. Komm Erdbeeren pflücken.
Und jetzt hockte Nana auf dem kotigen Boden, dem heftigsten Regenguß preisgegeben, und pflückte Erdbeeren.
Zoé brachte keinen Teller. Als Nana sich erhob, erschrak sie, denn sie sah einen Schatten vorbeihuschen.
Ein Tier, rief sie.
Doch das Entsetzen hielt sie jetzt mitten in der Allee festgebannt. Es war ein Mann, und sie hatte ihn erkannt.
Wie, du bist es, Junge? Was machst du da, Junge.
Mein Gott, ich bin gekommen, sagte Georges, und bin nun da.
Sie war ganz verblüfft.
Du hast also meine Ankunft vom Gärtner erfahren? Oh, das arme Kind. Wie naß es geworden ist.
Ach, das will ich dir erklären. Der Regen hat mich unterwegs erwischt; auch wollte ich, um mir den Weg abzukürzen, nicht bis Gumiéres heraufkommen, sondern zog es vor, durch die Choue zu waten, wobei ich in einen Tümpel fiel.
Nana hatte plötzlich die Erdbeeren vergessen; sie war von Mitleid bewegt. Der arme Zizi ist in einen Tümpel gefallen. Sie zog ihn ins Haus und sagte, sie werde sofort ein großes Feuer anzünden lassen.
Er hielt sie einen Augenblick zurück und flüsterte:
Ich habe mich verborgen, weil ich ausgezankt zu werden fürchtete, wie in Paris, wenn ich kam, ohne erwartet zu werden.
Sie lachte, ohne zu antworten, und küßte ihn auf die Stirne. Bis heute hatte sie ihn als Kind behandelt und seine Erklärungen nicht ernst genommen. Jetzt war die Gelegenheit gekommen, ihn aufzunehmen. Sie wollte durchaus, daß das Feuer in ihrem Zimmer angezündet werde; dort werde es gemütlicher sein. Zoé, an allerlei Begegnungen gewöhnt, war bei Georges Anblick nicht überrascht. Der Gärtner hingegen, der Holz herbeigebracht hatte, war höchlich verwundert, als er einen von Wasser triefenden Herrn sah, dem er die Tür nicht geöffnet hatte. Man entließ den Gärtner, da
Weitere Kostenlose Bücher