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Nanking Road

Nanking Road

Titel: Nanking Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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Bluse, bevor ich ganz zum Schluss den Boden sorgfältig mit dem Handtuch trocken rieb. Alles blitzte wie zuvor, Frau Wangenheim musste die Einladung nicht bereuen.
    »Das Handtuch darfst du behalten«, sagte sie, als ich es ihr zurückgeben wollte, »das Stück Seife auch, wenn du willst.«
    Natürlich wollte ich und dankte ihr sehr, und sie und ich taten, als ob sie mir Handtuch und Seife nicht nur deshalb schenkte, weil sie beides nach meiner Benutzung sonst weggeworfen hätte.
    Danach tranken wir unser Tässchen Tee und Frau Wangenheim erzählte, was sie gerade im Radio gehört hatte: dass Italien an der Seite Deutschlands in den Krieg eingetreten war.
    »Wo soll das bloß enden?«, klagte sie. »Was wird nun aus den armen Flüchtlingen, die in Italien festsitzen?«
    Eddy Fichte. Vor meinem inneren Auge stand plötzlich wie ein Gespenst der hilfsbereite junge Mann, den wir in Genua getroffen hatten. Lange hatte ich nicht mehr an ihn gedacht; jetzt fiel mir auch sein Name wieder ein und die mutlose Geste, mit der er seinen Seesack geschultert hatte, während die Scharnhorst ohne ihn ablegte.
    Mein Tee verlor jäh seinen Geschmack. Ob Eddy Fichte es geschafft hatte, aus Genua herauszukommen? Ich würde es wohl nie erfahren.
    Wir erledigten das Geschäftliche. Das nasse Handtuch mit der Seife darin rollte ich in meine Schultasche. Statt Grüße an meine Eltern trug Frau Wangenheim mir auf: »Vergiss nicht, weiterzusagen, dass Italien im Krieg ist.«
    Draußen sprach es sich bereits herum. Nur wenige besaßen ein Radio oder das Geld für eine Zeitung und die »Mundorgel« auf der Straße war die beste Methode, Neuigkeiten zu verbreiten. Bis zum Abend würden es alle wissen: Der Fü hatte einen weiteren Verbündeten.
    »Jetzt müssen die Amerikaner endlich eingreifen«, war ein Satz, der zur Nachricht dazugehörte, aber später meinte Papa, das sei bestimmt nur ein Wunsch und nicht Teil der Radiomeldung gewesen.
    An diesem Abend gab es Gelächter und Beifall, als Herr Simon seine Eingangstafel enthüllte und die Aufschrift Café Piefke zum Vorschein kam. Aber kaum hatten die Gäste Platz genommen, schlug die Neuigkeit aus Italien auch schon allen auf die Stimmung. Herr Simon hob zwar hervor, dass es jetzt in der Fremde einen heimischen Ort gebe, an dem man sich bei schlechten Nachrichten besaufen könne, allerdings meinte ein Gast, es könne gar nicht genug Bier geben, wie man in nächster Zeit sicherlich brauchen werde.
    Papa warf mir einen besorgten Blick zu. Wahrscheinlich hatte er nicht erwartet, dass es zur Eröffnung eines Cafés etwas anderes geben konnte als Kaffee und Kuchen. »Das bleibt aber unter uns«, sagte er vorsichtshalber, als wir später die Straße zu unserem Haus überquerten. »Deine Mutter reißt mir den Kopf ab, wenn sie erfährt, dass du in einer Kneipe warst.«
    »Es ist aber doch ein Café«, wandte ich ein.
    »Ab morgen vielleicht«, sagte Papa. »Heute Abend war es eine Kneipe.«
    Er und ich vergaßen dabei völlig, dass es in unserer Familie traditionell sowieso nur eine Person gab, der von Mamu der Kopf abgerissen wurde.
    Dass es zu Auseinandersetzungen zwischen uns seit Monaten nicht gekommen war, musste an ihrer Abwesenheit gelegen haben. Meine Mutter kam abends so spät von der Arbeit, dass ich meist schon im Bett war und sie erst morgens vor der Schule kurz zu Gesicht bekam. Noch nie war es über so lange Zeit so reibungslos zwischen uns zugegangen. Mein Gespür, worüber Mamu sich aufregen konnte, hatte durch die ganze Harmonie bereits Schaden genommen.
    »Sieh mal«, freute ich mich und legte das mittlerweile trockene Stück Seife vor sie auf den Tisch. »Ein Geschenk von Frau Wangenheim.«
    Meine Mutter warf einen misstrauischen Blick auf den kleinen gelben Klumpen. »Die ist ja schon gebraucht«, sagte sie streng.
    »Ja, klar, von mir«, erwiderte ich überrascht.
    »Von dir? Wann?«
    Schlagartig ahnte ich, worauf nun alles unaufhaltsam hinauslief. »Frau Wangenheim hat ein richtiges Badezimmer«, erklärte ich wesentlich leiser.
    Meine Mutter legte ihr Besteck hin. Wir hoben ihr Abendessen für sie auf, obwohl sie es bei der Heimkehr nur noch kalt verspeisen konnte, aber aus Gründen, die sie nicht verraten hatte, war sie heute früher gekommen und ich hatte noch bei Papa am Tisch gesessen.
    »Die Frau hat dich aufgefordert, dich zu waschen?«, fragte sie erschüttert.
    Mir war, als hörte ich eine Wanduhr ticken, dabei besaßen wir überhaupt keine.
    »Ich glaube, es war

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