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Nanking Road

Nanking Road

Titel: Nanking Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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Schneisen in einst paradiesische Atolle, Flugzeugträger, groß wie Häuserblocks, sanken auf Korallenriffe. Auf dem Meeresgrund verrotteten Schiffswracks, U-Boote, Panzer, Jeeps und Unmengen kleiner Flugzeuge.
    Großstädte, über Jahrhunderte gewachsen, waren dem Erdboden gleich. Die Bilder aus Europa kannten wir schon, nun erfuhren wir von Tokio, Kyoto, Yokohama. Von Napalmbomben, die dicht besiedelte Städte in Feuerhöllen verwandelt, und von den beiden Atombomben, die Hiroshima und Nagasaki mit Hunderttausenden Einwohnern binnen Sekunden vom Erdboden getilgt hatten.
    Wer sollte das verstehen? Vielleicht war Krieg selbst wie ein Feuer, das, wenn man nicht rechtzeitig löschte, ein Eigenleben zu führen begann, das fraß und vernichtete und nicht danach fragte, ob es Unschuldige oder Verantwortliche traf. Doch am Ende genügte auch diese Erklärung nicht. Wer einen Krieg begann, tat dies im Wissen, worauf er sich einließ, und keiner der ehemaligen Führer, die jetzt in Deutschland oder Japan vor Gericht standen, sollte sich darauf berufen dürfen, gezündelt und leider keinen Feuerlöscher dabeigehabt zu haben.
    Dasselbe galt für das Volk, das hinter diesen Führern gestanden hatte. Oder konnte man von einem Volk gar nicht sprechen, weil es dort – wie in jeder Menschenmenge – auch andere Stimmen gegeben hatte, Stimmen, die wir damals nur nicht gehört hatten?
    Mittlerweile hielt ich es immerhin für möglich. Ich hatte die Japaner in Shanghai gehasst, obwohl ich keinen einzigen persönlich kennengelernt hatte, und doch hatte einer von ihnen die Liebe meiner Freundin Judith gewonnen. Was nichts anderes bedeutete, als dass ich mich ziemlich gründlich geirrt haben konnte.
    Und so hatte jede vermeintliche Erkenntnis über den Krieg nur weitere Fragen nach sich gezogen, und auch Judith und ich hatten am Ende den Atlas zugeklappt, waren wieder ins Kino gegangen und hatten uns einen Bubikopf schneiden lassen.
    Judith formte mit beiden Händen einen Trichter und rief zu mir hinauf: »Unruhiges Wetter vorausgesagt!«
    »Und keine Landausflüge diesmal!«, rief ich hinunter.
    »Dann musst du eben für mich winken!«
    Wir lächelten uns an. Die Küste des Gelobten Landes würde vom Schiff aus gut zu sehen sein, doch selbst wenn wir unmittelbar davor in Seenot gerieten: Die Briten würden uns nicht anlegen lassen. Sie waren hochnervös wegen der vielen Juden, die aus der ganzen Welt nach Palästina drängten, zumeist Überlebende der Lager, die nicht länger warten, geschweige denn sich ein weiteres Mal von einer Quote abhalten lassen wollten. Nicht mehr als fünfhundert Personen hatten seit Kriegsende von Shanghai nach Palästina auswandern dürfen, andere wagten gefährliche, illegale Wege.
    »Pass nur auf«, hatte Judith prophezeit, »wenn ihr durch den Suez-Kanal fahrt, werden einige abspringen und es auf dem Landweg über Ägypten versuchen. Wenn ich dabei wäre … ich würde es genauso machen, obwohl die Araber inzwischen jeden von uns massakrieren, den sie in die Finger bekommen.«
    »Und warum bist du nicht dabei?«, hatte ich ein wenig herausfordernd gefragt.
    »Glaub bloß nicht, ich hätte nicht darüber nachgedacht«, sagte sie. »Aber ich kann doch nicht einfach abhauen. Hier wird jeder gebraucht, um für unsere Belange zu kämpfen. Eines Tages komme auch ich ins Gelobte Land, aber nicht ohne die anderen.«
    Neben der Trauer über unseren Abschied fühlte ich Angst in mir aufflackern, als ich sie am Kai stehen und zu mir hinauflächeln sah. Judith, meine Freundin, auf dem Weg in einen neuen Krieg – und auch in ihrem Rücken brannte es schon. Noch konzentrierten sich die Kämpfe zwischen Kuomintang und Kommunisten auf den Norden Chinas, aber auch im übrigen Land gab es immer häufiger Zusammenstöße. Zwei unversöhnliche Ideologien hatten sich im Kampf gegen Japan für kurze Zeit verbündet, jetzt jedoch redete man von Bürgerkrieg und Shanghai wurde überspült von der nächsten, nunmehr chinesischen Flüchtlingswelle.
    Irgendetwas würde passieren müssen, und zwar bald. All die misstrauischen, feindseligen Gesichter! Auf Schritt und Tritt war zuletzt zu spüren gewesen, dass wir Ausländer nicht mehr willkommen waren – und warum auch? Aus welchem Grund sollten die Chinesen uns noch länger behalten, nur weil die Länder des Westens, denen wir angehörten, wieder einmal endlos darum feilschten, wer uns aufnahm?
    Vignetten wurden gedruckt und auf jeden Brief ins Ausland geklebt; wir mussten auf uns

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