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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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U-Bahn-Station oder in Richtung Innere Stadt. Die Touristen und die übrigen Besucher der Bundeshauptstadt waren von diesem Anblick an einem zentralen Ort der Musik- und Kulturstadt meist schockiert.
    Paul verscheuchte einen Betrunkenen, der ihn um etwas Kleingeld anbetteln wollte, mit einer ungeduldigen Handbewegung und ließ dabei das Display seines Blackberry nicht aus den Augen. Die Zahlen der Koordinaten huschten über die beleuchtete Anzeige und der Reporter stand schließlich neben einem Denkmal vor einer hohen Hausfassade im klassizistischen Stil.
    Joseph Ressel, der Erfinder der Schiffsschraube, der mitten auf einem breiten Spazierweg auf seinem Sockel stehend dem Park den Namen gegeben hatte, blickte auf ihn herunter.
    Berner zündete sich eine Zigarette an. »Ist das der Ort, an dem uns Ihre Höllenmaschine haben will?«
    »An dem uns der Leiter des Schwarzen Bureaus haben will«, verbesserte ihn Wagner und sah hoch. »Die gesuchte Koordinate befindet sich laut Navi direkt vor uns.«
    »Schau an, der Meister der Rückversicherung hat uns also zur alten Technischen Universität geführt«, meinte Georg nachdenklich und tippte mit dem Stock Jauerlings auf eine der Stufen des Denkmals. Dann hielt er den Knauf hoch und verglich die beiden Figuren mit jenen an der Spitze des Gebäudes. Sein Blick glitt über die Fassade, ihre strenge klassizistische Gliederung, die Säulen, die goldene Inschrift und die Statuen auf dem breiten Sims darüber. Allegorien, Musen, griechische Mythologie, dachte der Historiker, immer für eine Überraschung gut.
    »Schaut euch einmal die Figur in der Mitte an«, sagte er dann und alle blickten nach oben. Sina zitierte die Inschrift auf dem Stock. Tschak pinkelte hingebungsvoll die Stufen des Denkmals an.
    »Unser Professor ist uns schon wieder einen Schritt voraus«, kommentierte Paul und steckte sein Smartphone ein. »Ich hab uns hergebracht, du bringst uns weiter.«
    Valerie blickte sich vorsichtig in der Parkanlage um. Nicht weit entfernt kontrollierten drei Polizeibeamte in Uniform einen Afrikaner, Hausfrauen kamen mit ihren Einkaufstaschen vorbei, Mütter schoben Kinderwagen durch den Sommertag. Ein friedliches Bild, das nur von herumliegendem Müll und den Gruppen betrunkener Junkies getrübt wurde, die sich über die Kontrolle des Schwarzen ereiferten.
    Der Kommissar nahm Valerie am Arm und zog sie ein wenig zur Seite, bis der historische Ziegelbau rechts neben der alten Universität ins Blickfeld kam. »Eingerichtet wurde der überwachte Bereich auf besonderen Wunsch, um die Kinder und Jugendlichen der evangelischen Schule da vorne vor den Dealern und ihren Angeboten zu schützen.«
    »Das erklärt ja dann wohl das Graffiti hier am Sockel«, stellte Valerie fest und zeigte auf die schwarze Videokamera, die auf die Basis des Resseldenkmals gesprayt worden war. Der Slogan »Stop Control« darunter war mit übergroßen Buchstaben und drei Ausrufezeichen ein visueller Protestschrei.
    »Mehr oder weniger …«, nickte Berner. »Diese Grafittis tauchen gerade überall in Wien auf wie die Schneeglöckchen im Märzschnee …«
    Paul blickte sich um und sah die grauen Kameras auf ihren Schwenkarmen.
    »Gar nicht gut!«, rief er alarmiert. »Wir sollten schauen, dass wir von hier verschwinden.« Er zog die Schultern hoch. »Georg, wie weit bist du? Können wir in die Universität hineingehen? Die Typen vor den Bildschirmen können nach Belieben ihre Kameras aus den Stationseingängen auf unseren Tascheninhalt fokussieren. Wenn du nichts dagegen hast, dann würde ich nicht so gerne Fernsehstar spielen. Die letzte Aufführung war ein Misserfolg.«
    »Kein Problem, kommt mit, wir müssen nicht hierbleiben«, sagte Sina, zog kurz an Tschaks Leine und ging, den Stock unter den Arm geklemmt, zu einer der Bänke zwischen mannshohen Hecken, etwas abseits des Hauptweges und außer Sichtweite der Überwachungskameras.
    Die anderen sahen sich zunächst fragend an, folgten ihm aber dann schließlich und setzten sich zu ihm auf die Bank.
    »Und was jetzt?«, wollte Wagner von Sina wissen, lehnte sich zurück und blickte nach oben. Die hellgraue Fassade der Universität wuchs vor ihnen in die Höhe.
    »Es ist genau so, wie es hier steht.« Georg deutete auf den Silberknauf. »Der Waisenknabe übergibt dem Wind die Botschaft.« Der Wissenschaftler lächelte. »Wir haben die Auflösung direkt vor der Nase. Nichts ist unauffälliger als Offensichtliches. Hunderttausende Blicke jeden Tag, aber niemand

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