Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
Vom Netzwerk:
Gäste des Beisls unvorbereitet. Plötzlich herrschte Totenstille in den beiden Räumen, die durch eine Doppeltür verbunden waren. Nur aus der Küche klang noch das Klappern der Pfannen und Löffel.
    »Wie soeben bekannt wurde, erlag Bundeskanzler Richard Schumann heute Morgen den Folgen eines Attentats, das in den gestrigen Abendstunden auf ihn verübt worden war. Nähere Einzelheiten wurden noch nicht bekannt. Ein Sprecher der Bundesregierung begründete die bisher aufrechterhaltene Nachrichtensperre mit den nach wie vor auf Hochtouren laufenden Ermittlungen. Soweit bekannt wurde, fehlt vom Täter jede Spur. Schumann wurde aus nächster Nähe in den Kopf geschossen, ein privates Motiv wird nicht ausgeschlossen. Die Amtsgeschäfte wurden interimsmäßig von Vizekanzler Finanzminister Manfred Wegscheider übernommen. Nun zu den weiteren Meldungen. Der Nationalrat …«
    Die weiteren Worte des Nachrichtensprechers gingen im Tumult unter. Alles schrie und redete durcheinander, die Gäste versuchten einander zu übertönen und doch verstand niemand ein Wort. Erst allmählich klang die erste Überraschung ab und machte einer tiefen Betroffenheit Platz.
    Der Wirt hinter der Schank hatte die Hand am Zapfhahn und schaute ins Leere. Das Bier floss über den Rand des Glases und versickerte im Ausguss. Nach einigen Augenblicken der Ruhe steckte seine Frau den Kopf aus der Küche und schaute verständnislos in die Runde. Dann sah sie ihren Mann, der wie versteinert dastand, stieß ihn an und deutete wortlos mit einer Kopfbewegung auf das überschäumende Bierglas.
    »Was ist mit euch los?«, fragte sie. »Habt ihr einen Geist gesehen? Das Essen dauert noch ein wenig, aber darauf braucht ihr nicht so andächtig zu warten.«
    »Sie haben den Schumann erschossen«, sagte ihr Mann leise und stützte sich schwer mit beiden Händen auf die zerkratzte Metallplatte der Schänke.
    Sie schaute ihn mit großen Augen an. »Den Schumann? Unseren Bundeskanzler? Das gibt’s nicht. Den kann man doch nicht so einfach erschießen. Der wird doch bewacht, oder?«, fragte sie unsicher und wurde blass, als ihr Mann stumm mit den Schultern zuckte.
    Viele Gäste saßen da wie versteinert, schauten in ihr Glas und schwiegen. Die Männer am Stammtisch fingen sich als Erste wieder.
    »Wir können gar nicht so schnell wählen, wie unsere Regierung wegstirbt«, murmelte einer der Arbeitslosen, die den ganzen Vormittag im »Wia Zhaus« verbrachten und ihren Alkoholpegel nie unter ein Promille fallen ließen.
    Die beiden pensionierten Bundesbahner am Stammtisch warfen ihm einen indignierten Blick zu, nickten aber dann in ihre Biergläser.
    »Wo er recht hat, hat er recht«, gab der Ältere der beiden zu. »Erst die Panosch, dann der Fürstl und jetzt der Schumann. Wer ist der Nächste? Es geht zu bei uns wie in einer südamerikanischen Bananenrepublik. Nur so warm ist es nicht.«
    »Ja, jetzt haben s’ den Bundeskanzler erschossen«, sagte der andere nachdenklich. »Dabei sollt man annehmen, das ist völlig unmöglich. Wozu haben wir eine Polizei? Haben die nicht auf ihn aufgepasst?«
    Ein alter Sektionschef des Innenministeriums schloss gequält die Augen und beugte sich tiefer über sein Kreuzworträtsel. »Die versammelte Bundesbahn referiert über die Sicherheit im Staat, wie passend«, murmelte er. »Wenn einer heute sagt, er wirft sich auf einer Nebenstrecke vor den Zug, dann verhungert er vorher, bevor ein Zug vorbeikommt. Das ist die einzige Sicherheit, die wir bei der Bahn noch haben.«
    »Hast was g’sagt, Hofrat?«, fuhr einer der Pensionisten auf, der früher Zugführer auf der Westbahnstrecke war. »Sei froh, dass du nicht mehr im Ministerium bist, sonst täten s’ dich auch noch erschießen. Heut muss jeder dran glauben, egal ob schwarz oder rot.«
    Ein ehemaliger Fuhrunternehmer, der bisher geschwiegen hatte, leerte sein Bier auf einen Zug und stellte das Glas lautstark auf den Stammtisch. »Fest steht, dass es so nicht weitergehen kann. Die Banken haben uns ins Unglück gerissen und alle Politiker sind sofort Gewehr bei Fuß gestanden und haben gerettet, was nur zu retten war. Die haben denen das Geld hinten hineingeschoben und alle waren sich einig. So schnell waren zehn Milliarden noch nie auf dem Tisch. Und unsere Kindergärtnerinnen bekommen weniger Stundenlohn als eine Putzfrau. Aber da sagt niemand was.«
    Ein zustimmendes Murmeln war zu hören. Selbst an den Nebentischen waren die Unterhaltungen verstummt.
    »Es wird Zeit, dass

Weitere Kostenlose Bücher