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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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eine Rasierklinge, den Arm streckte sie demonstrativ von ihrem Körper ab. Aus ihrem dünnen Oberarm quollen breite Ströme dunkelroten Blutes, das eine purpurne Spur des Grauens auf ihre weiße Haut zeichnete, bevor es ins Gras tropfte. Mehrere, tiefe und parallele Schnitte klafften in ihrem Fleisch. Vor Sinas Augen zerfloss das idyllische Bild der Bank an der Donau in Strömen von Blut.
    »Ruf bitte die Rettung, ich habe mich wieder geschnitten«, piepste das Mädchen mit dünner Stimme und Georgs Magen verkrampfte sich. Nur mit Mühe unterdrückte er den Drang, sich zu übergeben oder nach Hilfe zu brüllen. In Viktorias Gesicht bewegte sich kein Muskel. Nach einem beruhigenden Blick auf Sina streichelte sie sanft den Kopf des Mädchens.
    »Ist gut, Bernadette, ist alles gut. Komm mit, ich kümmere mich darum. Hab keine Angst, vielleicht müssen wir nähen.« An Georg gewandt fügte sie hinzu: »Entschuldige, das ist ein Notfall. Aber das passiert leider sehr häufig. Ich kümmere mich schon darum. Setz dich zu deinem Freund. Er kennt sich aus und wird dir alles erklären. Bis später, Georg.«
    Dann legte sie ihren Arm um das Mädchen und führte sie zur Station zurück. Sina blickte starr vor Schreck hinterher und hörte die sanfte Stimme der Pflegerin immer leiser werden.
    »Eine Schneideaktion«, erklang eine sonore Männerstimme hinter ihm. »Unangenehme Sache. Die arme Bernadette, aber anders spürt sie sich nicht.«
    Georg fuhr herum. Max Werfling stand keinen Meter entfernt, ein Buch unter den Arm geklemmt, die kurzen blonden Haare struppig und wirr auf dem Kopf. Er hatte sich überhaupt nicht verändert, sah noch immer aus wie vor zehn Jahren.
    »Grüß dich, Georg«, sagte er ruhig. »Dass du dich hierher verirrst … Ich weiß doch, wie sehr du Krankenhäuser hasst und dass du panische Angst hast vor Menschen wie uns.« Max ließ seinen prüfenden Blick über den Wissenschaftler wandern. Dann lächelte er und klopfte ihm auf die Schulter. »Egal, schön, dass du da bist. Mit dir habe ich überhaupt nicht mehr gerechnet.«
    »Servus, Max!« Sina kam langsam wieder zu Atem, das Bild des Blutes und der schmalen, blassen Figur wurde unschärfer. »Es tut mir leid, dass ich dich so lange …«
    Werfling machte eine abwehrende Geste. »Aber jetzt bist du da. Tapfer, von einem Zivilisten, wie du einer bist, hierherzukommen.«
    »Ein Zivilist?«, wunderte sich Georg.
    »Aber natürlich. So nennen wir euch von draußen. Denn wir sind ja die Soldaten. Die Soldaten, die gegen die Krankheit kämpfen«, erklärte Max und lächelte. Georgs Magen knotete sich wieder zusammen. Das war der Mann, von dem alles abhing. Der Soldat, der die Schlacht entscheiden konnte oder den Untergang besiegelte. Ein Geisteskranker.
    Obeliskenbrunnen, Schloss Schönbrunn, Wien/Österreich
    D er Lkw, den Eddy rasch organisiert hatte, stand auf der Fläche vor dem Brunnenhaus und wurde von zahlreichen Händen beladen. Lage für Lage wurden die Granaten abgetragen und sicher verstaut. Die zwölf Dynamitstangen, die dazwischen gefunden wurden, wanderten in den Kleinbus, die Zünder hatte Johann mit raschem Griff von den Leitungen getrennt und in seinem Metallkoffer verstaut. Walter und Manfred standen aufmerksam neben dem Lastwagen und beobachteten die Passanten, während Valerie unermüdlich die Umgebung um den Obeliskenbrunnen durchstreifte.
    Paul Wagner und Kommissar Berner hatten sich auf eine Bank beim Schönbrunner Bad zurückgezogen und beratschlagten die nächsten Schritte.
    »Ich glaube, wir sollten noch etwas unternehmen, um die Gegenseite zu beruhigen«, meinte Berner, schaute Paul von der Seite an und hielt ein Streichholz an seine Zigarette.
    Der Reporter beobachtete Tschak, der einem kleinen Gummiball nachsprang, den er vor dem Zaun des Schwimmbades gefunden haben musste und den er nun gegen alle und jeden verteidigte, vor allem gegen imaginäre vierbeinige Angreifer.
    »Ich bin für alle Vorschläge offen«, meinte Paul nachdenklich. »Wir haben noch drei Bomben vor uns, und je weniger die anderen von unseren Bemühungen mitbekommen, umso besser, umso nachlässiger wird die Bewachung werden.«
    Berner schwieg, nahm einen alten Kastanienzweig, der am Boden lag, und begann abstrakte Figuren in den Staub zu zeichnen. Dann brummte er: »Der Vorschlag wird Ihnen aber nicht gefallen, Wagner. Der geht an die Substanz.«
    Paul sah den Kommissar aufmerksam an und bemerkte, wie ernst Berner mit einem Schlag geworden war. Die

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