Narr
ein.
»Haben Sie eigentlich einen Anruf von Attaché Weinstein in den letzten beiden Tagen erhalten?«, fragte er wie nebenbei und die Alarmglocken wurden lauter.
»Ja, jetzt wo Sie es sagen«, erwiderte Valerie unverbindlich.
»Man kann sich auf den guten Samuel verlassen«, meinte Shapiro geheimnisvoll. »Er mag zwar kein großes Licht sein, aber er sammelt immerhin die richtigen Informationen und weiß, wo er steht.«
Goldmann schwieg verwirrt.
»Wann und wo sind Sie denn mit Major Spector zusammengetroffen?«, setzte Shapiro fort und nun füllte das Läuten der Alarmglocken Valeries Kopf bis auf den letzten Quadratzentimeter.
»Wollen Sie damit sagen …«, setzte Goldmann an, wurde aber von ihrem Gesprächspartner sofort unterbrochen.
»Ich will damit sagen, dass dieses Treffen unvermeidlich und nur eine Frage der Zeit war.« Shapiros Stimme klang irgendwie fröhlich, fand Valerie. »Er hatte denselben Auftrag wie Sie, aber bei Weitem nicht so viele Informationen und Verbindungen in Wien. Er musste also mit Ihnen Kontakt aufnehmen, wenn er auch nur in die Nähe einer dieser Bomben kommen wollte.« Shapiro verstummte und vor Valeries innerem Auge begannen immer mehr Stücke eines großen Puzzles an ihren Platz zu fallen. »Aber warum sollten Sie ihm helfen?«, fuhr Shapiro fort. »Er wurde ja an Ihrer Stelle auf den Fall der Schattenlinie angesetzt. Also mussten wir dafür sorgen, dass er nicht zu viele Details vor Ort erhalten und Ihnen womöglich zuvorkommen würde. Wir brauchten sie beide zusammen im Brennpunkt des Geschehens.«
»Sie haben das alles geplant …«, flüsterte Valerie entsetzt.
»Die Frage war nur, ob Ihnen vorher die ersten Zweifel kommen würden oder nicht«, setzte der Geheimdienstchef ungerührt fort. »Wir wussten seit einigen Monaten, dass Spector ein Doppelagent war. Aber ich wollte keine Schmutzwäsche im eigenen Haus waschen. Wir hätten ihn umbringen und es wie ein Unfall aussehen lassen können. Aber gewisse Zweifel bleiben immer, verstehen Sie mich, Major Goldmann?«
»Also haben Sie mich die Drecksarbeit machen lassen«, stieß Valerie leise hervor, aber Shapiro ging nicht darauf ein.
»Mir war klar, dass Spector die Gelegenheit nicht verpassen würde, einen Sabotageakt zu versuchen und eines dieser Senfgasdepots hochgehen zu lassen. Es war nur nicht absehbar, wann und wo er das machen würde. Aber dazu hatten wir ja Sie vor Ort.« Shapiro klang zufrieden und Valerie hörte ihn mit Papieren rascheln.
»Und Sie haben darauf gesetzt, dass ich im entscheidenden Moment schneller sein würde als er«, murmelte Valerie und konnte ihren Ärger nicht mehr unterdrücken. »So habe ich für Sie den unbequemen Spector eliminiert und gleich drei Fliegen mit einem Schlag erledigt: Der Verräter war weg, das Senfgasdepot explodierte nicht und die Schattenlinie war damit wieder einen Schritt weiter von der Regierungsübernahme entfernt. Wie passend.« Goldmanns Gedanken rasten. »Ist Ihnen eigentlich auch einmal durch den Kopf gegangen, dass Ihre Strategie scheitern könnte? Dass Spector …« Sie verstummte. Ein ungeheuerlicher Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Aber der Geheimdienstchef schwieg.
»Sie sind ein Schwein, Shapiro«, zischte Valerie schließlich wütend, »so ziemlich das Letzte und Mieseste, was mir jemals untergekommen ist. Natürlich haben Sie auch das bedacht. Wäre ich gescheitert, dann hätte es zwar einen weiteren toten israelischen Agenten gegeben, aber der Verräter wäre auf jeden Fall draufgegangen, nicht wahr? Sie haben Spector zum Tode verurteilt, als Sie ihn mit dem Auftrag betraut haben. Wie immer die Geschichte ausgehen würde, Sie hätten gewonnen und er wäre gestorben.«
»Israel muss immer gewinnen, Major, dazu bin ich hier, oder haben Sie das vergessen?« Die Stimme Shapiros klang kalt. »Deshalb werden Sie jetzt Ihre Aufgabe zu Ende bringen und mithelfen, die letzten beiden Depots zu entschärfen. Wir haben keinerlei Interesse an einem Regierungswechsel in Österreich, wir wollen nicht einmal die Option bekannt werden lassen. Sollten Sie noch weitere politische Informationen dazu brauchen, dann sprechen Sie mit Samuel Weinstein. Gute Nacht, Major Goldmann, oder besser gesagt, guten Morgen.«
Valerie ließ das Handy sinken, schaute ins Leere und hatte plötzlich das Bedürfnis, sich zu übergeben.
»Du siehst aus, als wärst du gerade einem Geist begegnet«, meinte Kommissar Berner, als Goldmann zurück in Eddys Büro kam und sich auf das kleine
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