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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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dem Bauch bis zum Loch im Boden.
    »Georg?«, rief er hinunter und spähte nach unten. Wenige Meter vom Ausstieg entdeckte er Sinas Füße. Ohne zweimal nachzudenken, sprang Wagner zurück, zog den Bewusstlosen hoch und schob ihn durch die Öffnung. Eine laute Detonation erschütterte die Kirche in ihren Grundfesten, als die letzte Sprengfalle explodierte. Eine dicke Wand aus Rauch und Staub raste heran, wälzte sich auf Wagner zu, nahm ihm den Atem und die Grubenlampen erloschen. Paul taumelte, hielt sich an den Wänden des Stollens fest. Er versuchte zu atmen, bekam keine Luft und ging in die Knie wie ein angeschlagener Boxer.
    »Lieber Gott, lass mich hier nicht sterben, noch nicht«, betete er, als es schwarz wurde vor seinen Augen. Doch dann bekam er wieder Luft, raffte sich auf und kletterte so schnell er konnte nach oben.
    »Tut mir leid, mein Freund, es geht nicht anders …«, keuchte er, packte Sina Handgelenk und zog ihn hinter sich her, auf allen vieren durch den Mittelgang des Langschiffes kriechend. Eine pechschwarze Rauchwolke stieg in seinem Rücken aus dem Stollen zum Netzrippengewölbe und den schwarzen eisernen Lüstern mit den Todesengeln empor.
    Wagner wandte sich um, sah die Wolke und der Anblick verlieh ihm neue Kräfte. Er rappelte sich auf, wuchtete Georg über seine Schultern und stolperte in den Vorraum von St. Leopold. Dort ließ er Sina zu Boden gleiten und verrammelte die Tür, bevor er sich neben seinem Freund auf den Boden fallen ließ. Schwer atmend wartete er, bis Georg wieder zu sich kam.
    »O Mann, mein Schädel …«, ächzte der Wissenschaftler und betastete vorsichtig die blutende Platzwunde über seinem Auge. »Wer hat das Licht ausgemacht?« Dann sah er Paul neben sich liegen und meinte: »Du siehst auch nicht besser aus.«
    »Nachdem du gegen einen Deckenbalken des Stollens gedonnert bist, musste ich dich rausholen und durch die ganze Kirche schleifen«, antwortete Wagner hustend. »Dann kam die Explosion und ich habe für einen Moment geglaubt, es ist zu Ende.«
    »Danke, ich stehe in deiner Schuld«, stöhnte Georg. »Wo ist Johann?«
    Der Reporter schüttelte den Kopf und wandte sich ab.
    Nussdorfer Wehr- und Schleusenanlage, Wien-Brigittenau/Österreich
    B urghardt konnte seinen Blick nicht von der Rauchwolke abwenden, die sich wie ein giftiger Pilz über der Kirche auf der anderen Seite des Stromes ausbreitete. Minuten vergingen wie Stunden, aber keiner rührte sich. Die Wolke wuchs beständig weiter, wurde größer und entfaltete sich, türmte sich mit immer größerer Geschwindigkeit zu einer wuchtigen Rauchsäule auf. Es sah aus, als trüge der Himmel Trauer.
    Dann unterbrach Burghardt die Stille. »Ich frage mich gerade, welche Farbe Senfgas hat.«
    »Goldgelb! Darum nennt man es ja Senfgas«, zischte einer der Vermummten und lachte.
    »Dann läuft da drüben irgendetwas nicht nach Plan«, stellte Burghardt trocken fest und zeigte auf das Fenster. »Der Rauch ist tiefschwarz.«
    Der Mann warf seinem Komplizen einen Blick zu und erstarrte. Dann schnellte er herum, zu dem großen Fenster, das die Donau überblickte, und schaute genauer hin. Die bedrohliche Wolke war schwarz, keine Spur von Gelb.
    Überrascht lockerte er seinen Griff, Sissi riss sich los und ließ sich einfach fallen. Ein Schuss zerriss die Stille. Der Vermummte wurde gegen die Scheibe geschleudert und rutschte langsam zu Boden. Sein Gesicht hinterließ einen schleimigen, roten Strich auf der Glasscheibe.
    Sein Komplize machte angesichts der schmauchenden Mündung des Colts in Berners Hand einen entscheidenden Fehler. Er ließ das Messer fallen, griff nach seiner Waffe im Gürtel, und das war der Moment, in dem Berners Tochter sich abstieß und nach vorne stürzte. Im nächsten Moment peitschten zwei Schüsse gleichzeitig durch den Raum und trafen den Maskierten in die Brust.
    »Keiner rührt meine Familie an«, knurrte Berner und ließ die Pistole sinken.
    »Die Familie meiner Freunde ist auch meine«, murmelte Valerie und steckte die Smith & Wesson ein.
    Kinzerplatz, Wien-Floridsdorf/Österreich
    P aul und Georg wankten benommen ins Freie, während die schwarze Wolke über ihnen wie ein Fanal aufstieg. Wagner hatte Sina den Arm um die Hüften gelegt und stützte den Freund, weil er noch immer etwas unsicher auf den Beinen war. Langsam humpelten sie über den Platz. Die alten Damen waren spurlos verschwunden. Irgendwo ganz weit weg in der Ferne ertönten die ersten Feuerwehrsirenen.
    Aus der Kirche

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