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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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offenbar noch einen weiteren Gast abholen mussten und ihn auffordernd ansahen. Die Hoffnung, mit Irina einen intimen Abend verbringen zu können, rückte in immer weitere Ferne. Wenn er ehrlich war, hatte er sie inzwischen aufgegeben. Also begann er zu lesen.
    »Herzlich willkommen auf Villa Ilioneus, Hr. Professor Sina. Es ist uns eine Ehre und aufrichtige Freude, Sie in unserem exklusiven Kreis empfangen zu dürfen. Um Ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten und Ihnen uneingeschränkten Zugang zu allen Bereichen unseres Hauses zu gewähren, erhalten Sie hiermit Ihren ganz persönlichen Zugangscode, der ausschließlich für Sie und nur in dieser Nacht gültig ist. Er lautet
    ›Amor manet‹.
    Alles Weitere erfahren Sie von Ihrer Begleiterin, die bereits auf Sie wartet. Wir wünschen Ihnen eine lustvolle Nacht.«
    Grandios, ein romantisches Rendezvous mit Irina habe ich erwartet, und so etwas wie ein Nobelbordell bekomme ich. Die beiden Uniformierten verneigten sich kurz, nahmen ihm das Billet wieder aus der Hand und klopften drei Mal in einem bestimmten Rhythmus an die geschnitzte Eingangstüre. Dann verließen sie ihn.
    Zunächst passierte gar nichts und Sina blickte nachdenklich die beiden Frauen an, deren Gewänder sich im leichten Nachtwind bauschten. Er fragte sich, ob der Türsteher vielleicht das Signal überhört hatte. Doch dann schwang der Satyr langsam zur Seite und ein Butler blickte durch die Öffnung in der Tür auf den Neuankömmling.
    »Tempus fugit?« Die Stimme des Empfangschefs wirkte eher gelangweilt und distanziert.
    »Amor manet«, antwortete Georg und wusste nicht, ob er dieses Ritual komisch oder aufregend finden sollte.
    Doch dann schwang auch schon die Tür auf und der Empfangschef stand vor ihm, ein schlanker, älterer Herr im Cut mit einer gelbschwarz gestreiften Jacke darunter. Georg fühlte sich augenblicklich in das Haus am Eaton Place versetzt, sah er sich doch Gordon Jackson in der Rolle des Angus Hudson gegenüber.
    Der Butler machte eine Verbeugung und bat Georg, näher zu treten.
    Seltsam, da müsste doch eigentlich jemand Imposanterer für die Sicherheit am Eingang zuständig sein, dachte Georg, doch genau in diesem Moment trat der Butler einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf den dahinter wartenden Securitychef frei.
    Professionell tastete der ebenfalls maskierte Bodybuilder nach einem höflichen »Sie gestatten?«, das keinen Widerspruch duldete, Sina kurz nach versteckten Waffen ab. Er schien über einen gut getarnten Funkreceiver eine Information erhalten zu haben, denn nach einer angedeuteten Verbeugung führte er Georg tiefer in den Raum hinein und winkte eine langbeinige, grazile Frau mit hochgesteckten dunklen Haaren herbei.
    Doch ein Gentlemen’s Club, dachte Sina bei ihrem Anblick, aber ein sehr gehobener mit Stil und Tradition.
    »Die junge Dame wird sich weiter um Sie kümmern und Sie an Ihren Bestimmungsort bringen. Wir hoffen, sie entspricht Ihren Vorstellungen«, stellte der Sicherheitschef abschließend fest und wandte sich bereits den nächsten Besuchern zu.
    Sina konnte nur sprachlos seine Zustimmung nicken. Er ließ seine Augen anerkennend über die Figur der jungen Frau wandern, von den hochhackigen Manolo-Pumps über ihre perfekten Beine in schwarzen, halterlosen Strümpfen und weiter zu ihrem Oberkörper, der nur von einem schwarzen Body mit weißem Smokingkragen und schwarzer Fliege verhüllt war. Dazu trug sie seidig schimmernde Handschuhe, die beinahe bis unter ihre Achseln reichten.
    Der Ausstatter des Abends hatte sich in der Kunst des Ver- und gleichzeitigen Enthüllens übertroffen. Ihr Gesicht war hinter einer mit Samt überzogenen, runden Maske verborgen. Es war eine venezianische Moretta oder Muta, eine »Stumme«, wusste Georg. Er schloss daraus, dass die gewählte, traditionelle Maskenform wieder Programm war: Von seiner Begleiterin würde er keine Auskünfte oder Antworten auf seine Fragen erhalten, aber wenn er es wünschte, würde sie ihn, wie es die Maske versprach, widerspruchslos verführen.
    Bestimmt mit allen Raffinessen, dachte Georg, schluckte und lockerte seinen Hemdkragen etwas. Wo war er da hineingeraten?
    Die junge Frau drehte sich um und ging voran, führte Georg durch ein geräumiges, von Wandleuchten und Kristalllüstern gedämpft beleuchtetes Entree. Ein riesiger, fast die gesamte Fläche des Raumes bedeckender antiker Isfahan mit Blüten und Arabesken dämpfte die Schritte. An den mit Stuckatur

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