Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
hätte, und er atmete erleichtert auf.
Er bog um die Giebelecke und blieb verblüfft stehen. Der Garten, der mit Geschick und Können konzipiert war, bot einen wundervollen Anblick. Kleine Nischen luden zum Sitzen ein, große Bäume spendeten ausreichend Schatten, Beete und Rabatten mit bunten Blumen säumten einen geschwungenen Weg. Eine Hollywoodschaukel stand auf einer künstlichen Lichtung, wenige Schritte von der Tür zum Haus entfernt.
Dort traf er auf Frau Mehring.
Sie saß, blass, aufrecht und unbewegt, in der Hollywoodschaukel. Trotz der für die Jahreszeit untypischenWärme trug sie eine dicke, flauschige Strickjacke, einen dunkelgrauen Rock und eine schwarze Bluse.
»Guten Morgen, Frau Mehring!«
Sie zuckte leicht zusammen, erkannte Nachtigall und deutete müde auf die Gartenstühle. Er zog sich einen davon näher heran und setzte sich ihr gegenüber. Ihre rotgeränderten Augen folgten seinen Bewegungen ohne Interesse. Die Haare hingen ungepflegt auf die Schultern herab, ein Brummer landete auf ihrer Hand, sie verscheuchte ihn nicht.
»Wie geht es Ihnen?«, eröffnete der Kommissar das Gespräch etwas ungeschickt und völlig fantasielos, aber es war ihm auf der Fahrt nach Kahren kein intelligenterer Gesprächseinstieg eingefallen.
»Blendend«, antwortete sie tonlos.
»Es tut mir aufrichtig leid, sie schon so bald wieder mit Fragen belästigen zu müssen, aber es haben sich neue Erkenntnisse ergeben.«
Mit ihren glanzlosen Augen sah sie ihn abwartend an. Peter Nachtigall musste die Gesprächsführung allein übernehmen, sie war offensichtlich nicht in der Verfassung, ihm das in irgendeiner Weise zu erleichtern.
»Wussten Sie, dass Ihr Mann Drohbriefe erhalten hat?«
Hiltrud Mehring ließ sich Zeit mit der Antwort, starrte auf einen imaginären Punkt in der Ferne und antwortete schließlich mit schleppender Stimme: »Ich weiß nur von einem. Er trug als Absender die Adresse der Mind Watchers und Hans-Jürgen meinte, er sei genauso wenig ernst zu nehmen wie Paul selbst.«
»Halten Sie einen Zusammenhang zwischen dem Brief und dem Mord an Ihrem Mann für denkbar?«
»Ich denke zurzeit nicht viel nach – aber ich weiß, dass Paul ebenfalls Drohungen erhalten hat. Auf rot-weiß gestreiftem Papier, wie sein Vater es auch besaß. Deshalb würde ich trotzdem nicht annehmen, dass Hans-Jürgen ihm die Briefe geschickt hat. Es gibt so viele Spinner da draußen.«
»Ihr Sohn Markus hat behauptet, er sei am Sonntag sowohl nachmittags als auch abends zu Hause gewesen. Können Sie das bestätigen?«
»Wenn Markus weggeht, meldet er sich bei mir, damit ich weiß, dass ich allein im Haus bin. Wenn dann jemand im Haus herumschleichen würde, wüsste ich, es ist ein Fremder eingedrungen und könnte rechtzeitig die Polizei verständigen. Und am Sonntag war er hier.«
»Würden Sie denn bemerkt haben, wenn er ohne Abmeldung gegangen wäre?«
»Mein Mann wurde ermordet – und Sie wollen die Tat meinem Markus in die Schuhe schieben. Er ist der Einzige, der mir noch geblieben ist. Alle anderen sind geflohen.«
Ihre Stimme vibrierte, aber sie weinte nicht. Die Augen, die ihn fixiert hatten, schauten wieder in die Ferne. Nachtigall beschloss das Thema zu wechseln.
»Wo bewahrte Ihr Mann Werkzeuge und all die Dinge für den Garten auf? Rasenmäher, Pflanzendünger, Unkrautvernichter?«
»Werkzeuge lagerte er im Keller. Dort gibt es einen extra Werkzeugkeller. Abgeschlossen. Nur er durfte ihn betreten. Er war immer auf der Hut vor unehrlichen Fahrern.«
»Und die Gerätschaften für den Garten?«
»Die stehen in dem Schuppen dort hinter der Eiche«, sie wies vage in südliche Richtung. »Aber der ist ebenfalls verschlossen. Diebe gibt es überall und wir haben keinen Hund.«
»Kann ich mich dort umsehen?«
Sie hob gleichgültig die Arme.
Peter Nachtigall schlenderte zum Schuppen an der äußersten Grundstücksgrenze hinüber. Während er eingehend Schloss und Riegel begutachtete und die Schrauben an den Scharnieren überprüfte, forderte er ein Team des Erkennungsdienstes an. Vielleicht würde man hier auf das Rattengift stoßen.
Dann kehrte er zu Frau Mehring zurück.
»Würden Sie Ihre Ehe als glücklich bezeichnen?«
Sie wartete so lange mit der Antwort, dass Nachtigall schon dachte, sie habe ihn vielleicht nicht gehört.
»Er hat gut für uns gesorgt. Für die Kinder und mich«, flüsterte sie dann.
»Streng genommen ist das keine Antwort auf meine Frage.«
»Er war der Ernährer der Familie. Da
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