Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
Dieser Spediteur wurde nun ermordet und wir stochern in seiner Vergangenheit, um ein mögliches Motiv zu finden«, begann er das Gespräch.
»Annamaria war es sicher nicht. Ich erinnere mich an die Sache. Sie wurde entschädigt, soweit man jemanden für den Tod eines Angehörigen überhaupt entschädigen kann. Das Geld liegt auf ihrem Konto und wird zur Kostendeckung verwendet. Ihre Rente ist sehr gering. Ich glaube nicht, dass sie überhaupt realisiert hat, dass ihre Mutter gestorben ist.«
»Hat sie eigene Kinder?«
»Ja. Zwei. Aber der Sohn verstarb schon vor dem zehnten Geburtstag an Leukämie und die Tochter lebt bei einem afrikanischen Stamm in Nigeria. Sie ist seit über 10 Jahren nicht mehr nach Deutschland gekommen, schreibt ab und an zum Geburtstag eine Karte. Aber soviel ich weiß, hat sie selbst das in den letzten Jahren nicht mehr gemacht. Sie wollte die ganze westliche Zivilisation hinter sich lassen – das ist ihr wohl geglückt«, erklärte Frau Werner trocken.
Deprimiert starrte Michael Wiener in seine Kaffeetasse.
25
Im Büro war es stickig und heiß.
Wiener hatte schon alle Fenster weit geöffnet, doch das für den Abend angekündigte Gewitter hatte die Lausitzmetropole wohl geschickt umgangen und kühlte nun mit Regen die Prignitz ab.
»Was haben wir?«
»Wie ich schon am Telefon erzählt habe: Vier Zeuginnen haben unterschrieben, dass Mehring sich mit sexuellen Handlungen bezahlen ließ. Eine Frau habe ich für morgen einbestellt, die wird sich das Video angucken. Vielleicht erkennt sie den Täter. Die anderen Damen haben mich direkt an sie verwiesen. Marianne Voigt.«
»Gut.« Nachtigall pinnte einen neuen Pappstreifen an die Wand. Sexuelle Nötigung , stand darauf. Er notierte auf anderen Streifen die Namen der Zeuginnen, die Wiener schon befragt hatte, dann nahm er einen neuen Streifen und vermerkte Eifersucht .
»Hast du Ehepartner oder andere Familienmitglieder mit Rachegedanken gefunden? Vielleicht hat ja die eine oder andere Frau ihrem Partner von der Nötigung erzählt.«
»Nein. Angeblich haben sie alle dichtgehalten. Hätte es Ärger gegeben, wäre es schließlich mit dem bevorzugten Platz vorbei gewesen. Praktischerweise ist keiner der Partner der betroffenen Tänzerinnen mit in dem Verein. Von selber hätte er also nur schwer merken können, was da läuft.«
»Und die Adressen, die wir von diesem Leiter des Pflegeheims bekommen hatten. Hast du da was Neues erfahren?«
»Der erste Name. Ein Freiherr von Seisten. Er spendete den gesamten Betrag, den er als Entschädigung bekam, an die Welthungerhilfe. Er hat keine eigenen Nachkommen und für den Fall seines Todes sind bereits alle Regelungen getroffen. Die zweite Adresse ist eine WG für Demenzkranke. Frau Wurz versteht gar nicht, dass ihre Mutter verstorben ist, sie realisiert es nicht. Von dem Geld wird ihre Pflege mitfinanziert. Ein Sohn starb schon als Kind, die Tochter lebt als Aussteigerin bei einem afrikanischen Stamm. Kontakte gibt es keine mehr. Oh, weisch du, wenn du das siehsch, no möchtescht du lieber nicht alt werde!«, stöhnte er.
»Das kannst du nicht verhindern. Alt werden wir alle. Man kann nur versuchen, möglichst gesund alt zu werden. Aber gerechterweise kann dem Alter niemand entgehen.«
»Huuu!«, Michael Wiener schüttelte sich, »das war echt nicht mein Tag heute.«
»Kopf hoch, bei dir ist es ja noch eine ganze Weile hin, bis du dir darüber Gedanken machen musst. Was soll ich da erst sagen – mich grinst es schon an, wenn ich morgens in den Spiegel sehe! Albrecht?«
Wieners Mobiltelefon läutete. Er entschuldigte sich und nahm das Gespräch an. Um die beiden anderen nicht zu stören, trat er ans Fenster.
Nachtigall hörte, wie der junge Mann mit einer Frau sprach, die offensichtlich irgendwo gestrandet war. Er gab ihr Hinweise, wie sie vom Lehrter Bahnhof aus nach Cottbus fahren könne.
Als er sich wieder setzte, wirkte er nervös.
»Also, Albrecht?«
»Bei den Fans hatte ich einige Gespräche, aus denen hervorging, der Mehring sei zwar Fan, allerdings nicht am echten Fanleben interessiert gewesen. Ab und an kam er, um einem Training zuzusehen, von den anderen hielt er sich eher fern. Selbst zu denen, die mit ihm nach einem Sieg mit Sekt anstießen, hatte er keinen engen Kontakt. Einer meinte, der Mehring sei mehr an den schönen Spielern als am Drumherum interessiert gewesen.«
»Wie hat er das gemeint?«
»Genauer wollte er das nicht erklären.«
Emile Couvier schob sich mit
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