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Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Titel: Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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wieder vereint. Nein, beschloss er, so einfach konnte er sie nicht von jedem Verdacht freisprechen. Er würde das Alibi gründlich überprüfen müssen.

42
     
    »Die könnten es eben so gut gewesen sein«, stellte Skorubski auf dem Weg ins Büro trocken fest.
    »Ja – und für Markus Mehring haben wir jetzt ein Motiv«, meinte Nachtigall.
    »Er hat ein Alibi, sein Bruder hat eins, diese Familie könnte auch eins haben. Das ist so unübersichtlich«, beschwerte sich Skorubski und bog nach rechts auf die Madlower Hauptstraße ein.
    Nachtigalls Handy unterbrach seine Überlegungen. Conny? Nein, enttäuscht entdeckte er Michaels Namen auf dem Display.
    »Ja, Michael?«
    »Das Klinikum hat angerufen, du sollst bitte vorbeikommen. Wilhelm Mehring ist aufgewacht. Sie haben ihn extubiert und nun fordert er vehement ein Gespräch mit Kommissar Nachtigall.«
    »Gut, noch was?«
    »Nein, noch nicht. In einer Stunde bekommen wir die Datenauswertung von Mehrings PC. Nur die Festplatte – für die anderen Datenträger brauchen die Kollegen noch mehr Zeit.«
    »Gut. Wir fahren also in die Klinik und du hältst die Stellung. Wir werden auch gleich das Alibi der Kesslers überprüfen – sie behaupten, während des Pokalspiels am Bett des Sohnes gesessen zu haben.«
    »Oh – noch mehr Verdächtige? Vielleicht haben sie auch einen Baseballschläger? Dann kämen sie auch für den Überfall auf Bartel in Frage.«
    »Von Bartel nichts Neues? Aufgewacht und bereit, eine Aussage zu machen?«
    »Nein. Der Wachtposten wurde abgelöst, niemand versuchte sich in Bartels Zimmer zu schmuggeln.«
    »Gut. Bis dann!«
     
    Albrecht Skorubski hatte gehört, dass sie zum Klinikum fahren wollten, und ordnete sich am Südfriedhof entsprechend ein.
    Eine Viertelstunde später standen sie in der Schleuse und zogen sich Kittel und Überschuhe an.
    »Herr Mehring ist noch sehr schwach«, instruierte sie die Schwester, »wir sind ohnehin erstaunt, wie gut er die Operation verkraftet hat. Da gibt es viel jüngere Patienten, die nach so einem Eingriff tagelang verwirrt sind. Aber er will Sie sprechen und weil er sich sonst so aufregt, haben wir ihm versprochen Sie zu informieren. Fragen Sie möglichst wenig. Lassen Sie ihn erzählen und wenn Sie glauben, er ist fertig, gehen Sie zügig. Herr Mehring braucht unbedingt Ruhe!«
    »Ich kann nicht versprechen, dass ich nicht nachfragen muss.«
    »Denken Sie daran: Nur das Nötigste! Wir sind um die Ecke. Wenn sich an seinem Zustand etwas ändert, klingeln Sie sofort«, schärfte sie Nachtigall ein.
     
    Die größte Veränderung seit seinem letzten Besuch war, dass die Beatmungsmaschine verschwunden war. Das zischende Geräusch fehlte, nur das leise Piepen der Überwachungsmonitore war noch zu hören.
    Vorsichtig trat Nachtigall an Wilhelm Mehrings Bett. Der alte Mann sah abgemagert aus, bleich, das Hämatom leuchtete intensiv schwärzlich um sein Auge herum und verlieh ihm dadurch fast einen verwegenen Eindruck. Die Augen hielt er geschlossen, er atmete flach. Der Hauptkommissar nahm sanft die linke unverletzte Hand in seine Pranken. Weiß und leblos lag sie knöchern in seiner weichen, rosigen Handfläche.
    Herr Mehring schlug die Augen auf. Der Blick, der Nachtigall traf, war klar und hart.
    »Gut. Sie sind gekommen«, krächzte er und schloss die Lider.
    »Ja, selbstverständlich.«
    »Ich muss Ihnen zwei Dinge sagen«, er holte mit schmerverzerrtem Gesicht Luft, »mein Sohn, die Narben – er war homosexuell. Er hat es bei Markus geahnt und versucht einen Mann aus ihm zu machen.« Wieder versuchte er Luft zu bekommen, ohne den Brustkorb weit dehnen zu müssen. »Lächerlich! Es ist angeboren, wissen Sie. Es ist keine Schwäche, wie er immer dachte. Es ist auch keine Krankheit. Es liegt in den Genen«, er keuchte und Schweiß trat ihm auf die Stirn. Peter Nachtigall wollte nach der Klingel greifen – da hielt ihn der harte Blick wieder zurück. »Nein. Ich bin noch nicht fertig. Mein Sohn hat Hiltrud ein Leben lang gequält. Lassen Sie sie in Ruhe – sie hat ein Recht darauf, nun ihre Freiheit zu genießen.« Die Augen schlossen sich wieder. »Er hat alle dafür bestraft, dass er nicht lieben durfte, wie er wollte. In dem Lager haben sie ihm erklärt, Homosexualität sei eine Krankheit, die man überwinden müsse. Nun wollte er sich und aller Welt zeigen, wie gut er genesen war! Er hat jede Menge anderer Frauen – neben der armen Hiltrud – gehabt, um aller Welt zu beweisen, er sei ein echter Mann.

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