Narrentreiben: Ein Fall für Hubertus Hummel (Hubertus Hummel-Reihe) (German Edition)
zu demütigen?
Vielleicht würde Frau Berger eine Antwort darauf geben können – auch wenn sie schon seit vielen Jahren von ihrem Mann getrennt war.
Während zahllose Rottweiler Narren durch die engen Gassen der alten Reichsstadt in die Stempellokale gingen, dort von der Narrenzunft geprüft wurden und schließlich ein »Sprungbändel« bekamen, mischten sich Müller und seine Frau unter die Zuschauer. Immerhin bekamen sie noch einen Platz in der zweiten Reihe, doch eng war es schon jetzt.
Müller hatte sich kategorisch und letztlich erfolgreich verbeten, sich in irgendeiner Art zu verkleiden. Seiner Frau hingegen hatte es Spaß gemacht, die rothaarige Perücke aufzusetzen, sich mit Fragezeichen und Herzchen zu schminken und sich dann auch noch eine alte Hose des Kommissars anzuziehen, in die sie ein Loch geschnitten hatte, was Müller als Unverschämtheit empfand. Ein Paar Hosenträger des Kommissars sorgten dafür, dass sie nicht plötzlich hosenlos dastehen würde.
Müller schaute griesgrämig und übermüdet drein und musste mehrfach von seiner Frau mit Rippenstößen aufgemuntert werden. »Das sind Rottweils höchste Feierdäg«, mahnte sie ihn zur Fröhlichkeit.
»Fängst du jetzt auch noch an, Rottweiler Dialekt zu sprechen?«, maulte Müller.
»Aber Stefan – das sagt man hier so«, gab sie zurück.
Ihr Mann rollte nur mit den Augen.
Eines musste er den Narren aber zugutehalten: Sie waren pünktlich – und das wusste er als Spross einer alten Uhrmacherfamilie durchaus zu schätzen. Um Punkt acht Uhr bewegten sich die Reiter mit der Reichsstadtstandarte durchs Schwarze Tor. Ihnen folgte die Stadtkapelle in historischer Tracht, und dann kamen sie: die Benner Rössle, Hunderte von Bajassen und schließlich Tausende von Narren, die Gesichter hinter geheimnisvollen Larven versteckt. Der Umzug war so farbenfroh, dass sich selbst Müllers Miene etwas aufhellte. Wenigstens etwas. Der klare, schöne Wintertag tat sein Übriges, die Kostüme und Fasnetfiguren richtig zur Geltung zu bringen.
Zahllose Federahannes sprangen in ihren roten, blauen und grünen Federkleidern mit Stangen umher, und das helle Geläut der kleinen Glöckchen, die die Fransenkleidle trugen, mischte sich mit Juchzern, mit Jubel, mit Rufen aller Art. Auch die Kommissarsgattin beteiligte sich – doch als der Guller, der vorwitzige Hahn, auf sie zusprang, wurde er von Müller wieder verscheucht.
Das Gegrummel um ihn herum störte den Kommissar in diesem Moment ebenso wenig wie der einheimische Zuschauer, der ihn fragte: »Was machet Sie denn iberhaupt do, wenn Ihne des koin Spaß macht?«
Der endlos erscheinende Narrentross wälzte sich von der oberen Hauptstraße die mittelalterliche Innenstadt hinunter in Richtung des großen Viadukts.
Schon bald kam in Müller wieder der alte Griesgram durch. »Wie lange bleiben wir noch?«, wollte er wissen.
Seine Frau achtete jedoch gar nicht auf ihn – auch nicht, als er eine halbe Stunde später sagte: »Mir ist so kalt.«
Um Viertel vor zehn – »der Sprung« war noch nicht einmal zur Hälfte beendet – hatte Müller endlich einen guten Grund, sich aus dem Staub zu machen. »Du, ich muss jetzt los«, sagte er zu seiner Frau.
Die nickte nur kurz, küsste ihn auf die Backe und wünschte ihm viel Spaß, während sie sich weiter dem Umzug widmete.
Graf Zahl hatte den Umzug mehr genossen als Kommissar Müller. Er war zwar schon mehrere Jahre nicht mehr beim Rottweiler Narrensprung gewesen, weil dieser parallel zum Villinger Umzug stattfand, doch dies Jahr hatte er aufgrund seines Termins auf den Umzug in seiner Heimatstadt verzichten müssen. In Villingen würden ihm immerhin noch der Maschgerelauf am Nachmittag und der Dienstagsumzug bleiben.
Graf Zahl juckte es in den Füßen, während er beim Narrensprung zusah, und am liebsten hätte er mitgemacht. Als Experte musste er zugeben, dass ihn der Rottweiler Narrensprung und die Fasnetfiguren durchaus beeindruckten. Der ermordete Berger war wirklich völlig verblendet gewesen, alles außer der Villinger Fasnet in Bausch und Bogen zu verdammen.
»Rottweil 68. Der Federahannes tobt«, murmelte er vor sich hin. Was mochte der rätselhafte Spruch nur bedeuten?
Um zehn Uhr traf er in der Weinstube beim Rottweiler Münster ein, wo er sich mit Kommissar Müller verabredet hatte.
»Guten Morgen, Herr Moser«, wurde er freundlich begrüßt.
»Ah, guten Morgen, Herr Kommissar«, antwortete Moser alias Graf Zahl. Dass er in Rottweil mit
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