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Naschkatze

Titel: Naschkatze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Cabot
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Probleme).

    Lizzie Nichols Designs

13
    Allmählich sterben die Klatschgeschichten aus, weil immer weniger Leute über etwas anderes als sich selber reden wollen.
    Mason Cooley (1927-2002), amerikanischer Aphoristiker
     
     
     
     
    A ls ich am Nachmittag zu Monsieur Henri gehe, rege ich mich nicht mehr auf, weil ich Tiffany und ihren Freund zum Dinner eingeladen habe. Das war genau richtig. Zum Erntedankfest sollte die ganze Familie zusammenkommen. Und irgendwie gehört Tiffany auch zu meiner Familie.
    Nun ja, zu meiner beruflichen Familie. Klar, sie kann total nerven. Bisher hat sie erst eine einzige Schreibtischschublade für mich leer geräumt. Und sie lässt überall ihre klebrigen, halb gekauten Fruchtgummis liegen. Au ßerdem löscht sie dauernd meine Lesezeichen für Brautkleider-Websites in dem Computer, den wir gemeinsam benutzen.
    Aber sie ist wirklich nett zu mir. Sie überlässt mir alle ihre Modezeitschriften (weil ich’s mir nicht leisten kann, selber welche zu kaufen). Und sie gibt mir wertvolle Schönheitstipps – zum Beispiel, dass Vaseline bei trockener Haut genauso gut wirkt wie ein teurer Moisturizer. Oder dass ein Deodorant auf der Bikini-Zone nach der Rasur eingewachsene Haare verhindert.
    Von Madame Henri kann ich das nicht behaupten. Das gilt nicht fürs Deodorant (natürlich gehe ich nie in ihre
Nähe, um an ihr zu schnüffeln). Aber dass sie nett zu mir wäre... Klar, sie toleriert mich.
    Aber nur weil ich ihrem Mann eine Menge Arbeit abnehme, weshalb er jetzt viel mehr Zeit daheim verbringen kann. Ob er darüber glücklich ist, weiß ich nicht.
    Als ich an diesem Nachmittag den Laden betrete, streiten die Henris gerade. Ziemlich heftig. Selbstverständlich auf Französisch, damit Jennifer Harris und ihre Mutter, die zur letzten Anprobe erschienen sind, nichts verstehen.
    »Das müssen wir tun«, zischt Madame Henri erbost. »Keine Ahnung, wie wir sonst zurechtkommen sollen! Mit dieser Zeitungsannonce schnappt Maurice uns die letzte Kundschaft weg. Und wenn er sein neues Geschäft weiter unten an der Straße eröffnet... Nun, ich muss dir wohl kaum erklären, dass er uns damit restlos ruinieren wird!«
    »Warten wir doch erst einmal ab«, schlägt ihr Ehemann vor. »Vielleicht wendet sich noch alles zum Guten.« Dann entdeckt er mich und ruft: »Ah, Mademoiselle Elizabeth! Nun, was meinen Sie?«
    Als müsste er fragen! Ich starre Jennifer Harris an, die soeben aus der Werkstatt gekommen ist. In ihrem Brautkleid. Und sie sieht aus …
    Wie ein Engel.
    »Oh, ich bin ganz begeistert«, haucht sie.
    Warum, ist unübersehbar. Das Kleid – inzwischen mit einem Queen Anne-Ausschnitt und engen Spitzenärmeln, die bis zu den Handgelenken reichen (um die Mittelfinger schlingen sich kleine Schlaufen, die dafür sorgen, dass der zarte Spitzenstoff nicht verrutscht) – sieht einfach fabelhaft aus.

    Aber am allerschönsten ist Jennifer selber. Sie strahlt übers ganze Gesicht.
    Natürlich strahlt sie, weil ich das alte Kleid in einen überirdischen Traum verwandelt habe.
    Aber das nur am Rande.
    »Haben Sie die Schuhe angezogen, die Sie bei der Zeremonie tragen werden?«, frage ich. Mittlerweile habe ich Monsieur und Madame Henris neuesten Streit vergessen. Ich eile zu Jennifer und zupfe an ihrem Rock herum. Für die Taille habe ich eine Spitzenschärpe genäht, passend zu den Ärmeln, um den Renaissancestil zu betonen. Diese Wirkung wird durch den langen Hals des Mädchens und das glatte Haar noch unterstrichen.
    »O ja«, antwortet Jennifer. »Das haben Sie mir doch noch extra gesagt. Erinnern Sie sich?«
    Der Saum berührt den Boden, genau die richtige Länge. Wie eine Prinzessin sieht sie aus. Nein, wie eine Märchenprinzessin.
    »Bei diesem Anblick werden ihre Schwestern mich umbringen«, prophezeit Mrs. Harris – aber nicht unfreundlich. »Weil sie viel schöner ist, als sie’s jemals geschafft haben.«
    »O nein, Mom!« Jennifer weiß, wie fantastisch sie aussieht. Also kann sie sich diesen großzügigen Protest leisten. »Ganz bestimmt nicht.«
    Aber sie weiß, dass es stimmt. Das merke ich, weil sie ihren Blick nicht vom Spiegel losreißen kann.
    Erfreut vom Resultat meiner Arbeit (und der Hilfe Monsieur Henris, der immerhin die passende Spitze für die Schärpe besorgt hat) helfe ich Jennifer aus dem Kleid und packe es ein. Inzwischen bezahlt ihre Mutter die nicht unbeträchtliche
Rechnung. Aber für ein neues Kleid hätte sie viel mehr ausgeben müssen, sogar wenn sie – bei diesem

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