Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Moment aus den Augen. Ich will nicht hören, dass sie eine Unachtsamkeit ausgenutzt und euch einen üblen Streich gespielt hat.« Dann beugte er sich zu Eshar vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Der nickte, zog Talitha eine Kapuze über den Kopf und stieß sie unsanft in einen der Transportkörbe, in dem sie mit schweren Lederriemen festgezurrt wurde. Sie hörte, wie die Rebellen in die anderen Körben kletterten oder auf die Drachen stiegen. Dann hallten einige knappe Befehle durch die Luft, und los ging es.
Wieder war Talitha völlig hilflos dem Willen anderer ausgeliefert, wieder wurde sie blind durch fremde Gebiete geflogen, in der Nase den strengen Geruch jener geleeartigen Substanz, die die Rebellen benutzten, um auch außerhalb der Talareths atmen zu können. Zudem hatte sie keine Ahnung, wo sich Saiph befand, sie spürte nur Eshar hinter sich, der sie mit einer Hand an der Schulter festhielt, während seine Finger leicht ihren Nacken streiften. So gab er ihr zu verstehen, wie wachsam er war und dass er bei der kleinsten Bewegung sofort reagieren würde. Sie konnte sich den ganzen Flug über keinen Moment entspannen.
Abends machten sie halt und nahmen ihr endlich auch die Kapuze ab. Erneut befanden sie sich im Verbotenen Wald, auf einer kleinen, von Talareths umstandenen Lichtung, die von einem schmalen Bach durchschnitten wurde. Die Femtiten setzten sich im Kreis zusammen und aßen, während man ihr, ein Stück abseits, die übliche schäbige Ration Brot und Käse zuteilte. Selbst zum Essen band man ihr die Hände nichts los, sondern ein Femtit versuchte, sie zu füttern. Doch sie verweigerte das Essen, obwohl der Hunger sie quälte und die Rebellen drohten, ihr das Essen mit Gewalt in den Mund zu stopfen, weil sie sie in einigermaßen akzeptabler Verfassung an ihren Vater übergeben wollten. Nach langen Streitereien willigten die Entführer ein, dass Saiph sie füttern durfte.
»Wir müssen es heute Nacht versuchen«, flüsterte sie, während sie kleine Bissen von dem Brotkanten abknabberte.
»Sollten wir nicht vorher herausfinden, wer wann Wache hält, wann die Gelegenheit am günstigsten ist …«
»Ach, du willst immer nur beobachten und abwarten. Alles oder nichts, Saiph. Wenn wir einen weiteren Tag stillhalten, haben wir nichts gewonnen.«
Saiph entgegnete nichts. Vielleicht hatte Talitha Recht, doch die Furcht, dass ihr etwas zustoßen könnte, machte ihn wahnsinnig.
Nach dem Essen blieben die Femtiten noch eine Weile plaudernd um das Feuer herum sitzen. Saiph schienen sie ganz als einen der ihren akzeptiert zu haben, und er brachte sogar alle zum Lachen, indem er amüsante Anekdoten aus seiner Zeit als Sklave im Palast von Messe zum Besten gab. So hatte ihn Talitha noch nie gesehen, und sie überlegte, dass ein Teil von ihm bestimmt froh war, in dieser Gemeinschaft freier Femtiten aufgehoben zu sein, in der man niemandem mehr diente, es sei denn der gemeinsamen Sache, für die sie kämpften. Während sie beobachtete, wie freundschaftlich sie mit ihm umgingen, ihn berührten, ihm nahe waren, wurde ihr die Feindseligkeit, mit der sie selbst behandelt wurde, noch deutlicher, und sie fühlte sich entsetzlich allein.
Als es Nacht wurde, machte es sich jeder auf seinem Lager bequem, mit Ausnahme eines Rebellen, der sie, zusammen mit seinem Drachen, bewachte. Im Wald knisterte und raschelte es, es schnaufte und schnarchte, Lockrufe erklangen in der Ferne, und immer wieder fuhr die Wache, das Schwert in der Hand, nervös herum und spähte in die Dunkelheit, während der Drache misstrauisch Witterung aufnahm.
Bei Tagesanbruch schrak Talitha aus dem Schlaf auf. Erschöpft von der Reise war sie irgendwann, gegen ihren Willen, eingeschlafen und musste sich nun damit abfinden, dass die erste Nacht vorüber war, ohne dass sie auch nur einen Schritt weitergekommen waren. Saiph würdigte sie keines Blickes, während er mit den anderen weiter freundlich umging, und bald nahmen alle ihre Plätze in den Transportkörben oder auf dem Rücken der Drachen ein, die kurz darauf abhoben. Talitha hatte das Gefühl, als rase die Zeit doppelt so schnell wie normalerweise. Bald fragte sie sich, ob es schon Mittag sei, und in manchen Momenten kam es ihr so vor, als neige sich der Tag bereits wieder.
Als sie gegen Abend ihr Lager aufschlugen, gab ihr einer der Rebellen zu essen, während sich Saiph in Gesellschaft der anderen noch fröhlicher und ausgelassener als ohnehin schon gab. Worauf wartete er noch? Immer
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