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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Arzt. Im Jahre 1932 hatte ein Beamter in Moskau die Idee, mich an die Steinige Tunguska zu schicken. Damals war Batkit so groß, daß man im Kreis spucken konnte und damit die Stadtgrenze umrissen hatte. Aber im Plan der Regierung stand: Batkit wird eine Stadt! Ein Umschlagplatz für Holz, Erze, Pelze. Eine Handelsstation! Ein notwendiger Platz! Und dahin gehört ein Arzt! Punktum! Als ich damals in Batkit ankam, hatte ich sofort zu tun! Es gab genau vierundsechzig Einwohner, davon waren dreiundsechzig Männer und eine Frau! Halli, hallo! Von den dreiundsechzig Kerlen waren neunundvierzig geschlechtskrank – alle von der einen Quelle! Die Gesunden waren nur deshalb gesund, weil sie zu alt waren, um das Weibsstück zu besuchen. Leider kam ich nicht dazu, die Hure abtransportieren zu lassen – sie wurde zehn Tage nach meiner Ankunft erstochen – aus Eifersucht! Stellen Sie sich das vor! Sogar Eifersüchtige gab es noch unter den Kerlen. Aber es war die beste Lösung. Seitdem bin ich also in Batkit. Seit 1932! Es wurde eine Kleinstadt, wie geplant. Aber während man baute und baute, hat man mich dort vergessen, verstehen Sie? Ich habe jedenfalls nie eine Antwort bekommen, wenn ich einen Antrag auf Versetzung stellte. Wurde der überhaupt gelesen? Einmal war ich selbst in Omsk bei der Bezirksregierung. Und was sagt da so ein junger Schnösel von Beamter? ›Genosse Doktor, in Batkit sind Sie eine Respektsperson. Was wollen Sie beispielsweise in Swerdlowsk? Jeder, der Sie sieht, wird glauben, wir experimentieren gerade an einer Verkleinerung der menschlichen Rasse! Man wird vor Ihnen weglaufen!‹ Das sagt mir der Kerl ins Gesicht! Ich hätte ihn am liebsten angespuckt, und bin wieder zurück nach Batkit gefahren. Das war vor sieben Jahren. Seitdem höre ich gar nichts mehr! Tassburg, die Flasche!«
    Michail holte sie aus dem Karton, schraubte sie auf und reichte sie Dr. Plachunin. Der setzte sie an die Lippen und trank mit geschlossenen Augen.
    »Plachunin!« sagte Tassburg mahnend. Der kleine Doktor ließ die Flasche sinken. Sie war halb ausgetrunken – mit einem Zug.
    »Sie ahnen nicht, was das bedeutet«, sprach er dann sehr sanft weiter, was man seinem sonst so kräftigen Organ kaum zutraute. »Man hat einen Menschen vor sich, der zuhören kann und intelligent genug ist, das zu begreifen, was man sagt. Man hat einen guten Wodka in der Hand und kann die Flasche streicheln wie ein Frauenbein. Wissen Sie, wann ich zum letztenmal eine Frau …«
    »Ich bin nicht Ihr Beichtvater, Ostap Germanowitsch!«
    »Aber Sie hätten das Zeug dazu!«
    »Ich wollte eigentlich von Ihnen einen Rat …«
    »Von mir? Ich kann Ihnen nur Medikamente geben. Und auch nur solche, die die weite Reise nach Batkit gewagt haben!«
    »Was soll aus Natalia werden?« Tassburg, der bisher so Zukunftssichere, wurde mehr und mehr zum Pessimisten.
    »Das fragen Sie mich?«
    »Sie kann doch nicht Ihr Leben lang hier als Geist leben! Sie muß doch irgendwann einmal als Mensch auftauchen! Außerdem muß ich irgendwann mit meinem Trupp weiterziehen! Nach den letzten Meldungen meiner Geologen ist mit Erdgasvorkommen im Gebiet um Satowka kaum zu rechnen. Die geo-physischen Gutachten, die man am Schreibtisch gemacht hat, enthalten Fehler! Das heißt also …«
    »Weg von hier!«
    »Ja, und ich kann Natalia doch nicht allein zurücklassen.«
    »Nehmen Sie sie mit!«
    »Und wo kommt sie plötzlich her? Denken Sie an das Kopfgeld, das dieser Kassugai ausgesetzt hatte. Tausend Rubel! Die Summe spukt noch in den Köpfen der Leute.« Tassburg nahm Dr. Plachunin die Flasche aus der Hand und trank selbst einen Schluck. »Wenn Natalia plötzlich hier auftaucht, weiß jeder sofort, wer sie ist! Und dann geht das große Rennen um die Rubel los!«
    »Der Mensch ist ein abscheuliches Geschöpf!« sagte Dr. Plachunin leise und holte sich aus Tassburgs Händen die Flasche zurück. »Für ein paar klingende Münzen verkauft er seinen Charakter. Tja, was kann man tun? Natalia ist zwar ein vom Himmel gefallener Stern – aber man kann sie nicht einfach in die Hosentasche stecken wie einen gefundenen Diamanten.«
    »Nehmen Sie Natalia mit, Doktor!« sagte Tassburg heiser.
    »Ich? Nach Batkit?« antwortete Dr. Plachunin verwirrt. »Was soll ich mit ihr?«
    »Sie für mich aufheben. Das soll Ihnen beweisen, welch großes Vertrauen ich in Sie setze.«
    »Das ehrt mich! Aber das macht mich weder größer noch schöner. Nochmals, Michail Sofronowitsch, was soll sie bei

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