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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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habe ich. Und fünfzig Rubel Handgeld. Und Papiere haben wir … für dich mit, Luka. Es ist alles so wie früher … und morgen bekomme ich sogar meinen Leninorden wieder –«
    Es war der Augenblick, in dem sich Luka wieder an seine Mutter erinnerte. Selten kam's vor, und noch seltener, daß er daran dachte, wie sie gebetet hatte. Aber jetzt ergriff ihn die Erinnerung, und er sah die Mutter vor einer Ikone knien und den Heiligen danken für ein gutes Erntejahr. Da sprangen ihm die Tränen in die Augen … er schnaufte wild, wischte sich über das Gesicht, biß sich auf die Unterlippe und drückte den Daumen gegen die Nasenlöcher, weil sie zu tropfen begannen.
    »Dann ist ja alles gut, Vögelchen«, sagte er nach einer ganzen Weile. »Dann ist ja jetzt wirklich Friede für uns –«
    »Das ist es, Luka.« Natascha kletterte auf den Bock, umarmte den Riesen und küßte ihn. Die Leute, die aus dem Bahnhof kamen, sahen es und wunderten sich, daß ein so schönes Mädchen auf der Straße einen solchen Riesenaffen küßte. Dann schüttelten sie den Kopf und gingen weiter. Der Krieg, Freunde, dachten sie. Viel Not hat er gebracht … auch über die Geschlechter …
    »Und nun fahren wir zu dem Zimmer«, sagte Natascha. Sie sah auf den Zettel, der die Einweisung enthielt. Tusstunkaja 3, stand darauf. »Ein großes soll's sein, sagte der Beamte. Ganze zehn Quadratmeter. Für uns allein, Luka. Sonst wohnen darin vier bis fünf Personen. Der Raum ist knapp … es sind mehr aus dem Krieg zurückgekommen, als man gerechnet hatte …«
    Luka griff in die Tasche und zog die Hand mit den verdienten Kopeken hervor. Er hielt sie Natascha hin und hatte ein glückliches Gesicht. »Sechs Rubelchen und neun Kopeken«, sagte er stolz. »Nimm, es ist dein. Nur einen Rubel habe ich weggenommen, für sieben Rüben, für das Pferdchen.«
    Natascha schüttelte den Kopf. Sie schloß Lukas Finger um das Geld und strich ihm mit der anderen Hand über den Bart.
    »Behalt's, großer Bär. Kauf dir Tabak dafür … Wie lange hast du keinen Machorka mehr gehabt?«
    »Ich kann's nicht zählen, Täubchen. Ein Jahr …«
    Sie nickte. »Geh … kauf dir etwas dafür. Ich habe ja noch vierzig Rubel –«
    »Noch vierzig …?« Luka schnippte mit den Zügeln, und das Pferdchen zog wieder an. »Wie hast du's bloß gemacht?« fragte er. »So ganz allein, ohne Luka …«
    Beim nächsten Laden hielten sie. Natascha holte Luka einen Beutel Machorka und eine neue Pfeife. Mit zitternden Fingern stopfte Luka sie, rauchte sie an und blies den ersten wirklichen Tabaksqualm nach einem Jahr wieder in die Luft. Seine Augen glänzten, wie ein Kind war er … immer wieder betastete er die Pfeife, hob den qualmenden Kopf an die dicke Nase und schnupperte, rauchte und sah den blauen Wolken nach, die von seinem Gesicht wegschwebten in den Frühlingshimmel.
    Dann fuhren sie weiter, und an jeder Straßenkreuzung hielt Luka einen Passanten an und brüllte: »He, Brüderchen … wo geht's zur Tusstunkaja? Wir haben ein Zimmerchen dort bekommen. Zehn Quadratmeter für uns allein. Da staunst du, was? Sag schnell, wo geht's entlang?«
    An jeder Ecke schrie er das. Es war, als solle ganz Moskau erfahren, daß Natascha Astachowa in der Tusstunkaja 3 ein Zimmer habe.
    Eine vornehme Gegend schien's zu sein, man kannte sie kaum und schickte sie hin und her durch Moskau. Endlich, nach zwei Stunden, wies ihnen ein Polizist den richtigen Weg. An der Moskwa lag die Straße, ganz neu war sie angelegt, mit großen, weißen, langen Häusern, die in der Sonne glänzten wie ein Zarenpalast. Luka begriff es kaum, aber es stimmte. Ein Straßenschild war da, und auf ihm stand Tusstunkaja.
    »So wohnt nur eine ›Heldin der Nation‹«, sagte Luka stolz, als er in die Straße einfuhr. »Komm, Pferdchen, nimm den Kopf hoch, wirf die Beinchen … wir müssen würdig ankommen …«
    Sie hielten vor Tusstunkaja Nr. 3. Ein herrliches Haus war's, weiß wie die anderen. Nur einen kleinen Fehler hatte es: Es war noch nicht fertig. Die Fenster fehlten, und die Wände waren noch roh verputzt. Die Treppe lag voller Schutt, und in der oberen Etage arbeiteten noch die Bodenleger.
    »Man kann nicht alles auf einmal haben«, sagte Luka weise, als er vom Bock kletterte und Natascha neben ihn auf die Straße sprang. Ihr Gesicht war gerötet vor Zorn, und ihre schwarzen Augen blitzten wie damals, als sie den deutschen Feldwebel in den Ameisenhaufen legte.
    »Er hat mir gesagt, es wäre alles fertig«, rief sie und

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