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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Leutnant«, sagte Popow zufrieden. »Eine wunderbare Stellung, eine Natschalnikstellung: Kontrolleur der Kontrolleure. Gewissermaßen ein Oberkontrolleur. Voller Verantwortung und voller Ehren. Alles, was hinaus in die Welt geht, wird Ihren Namen tragen …«
    Gennadi Igorowitsch Popow war ein Gauner, trotz seiner schwachen Lunge. Seht, dachte er. Man setzt eine ›Heldin der Nation‹ an die Spitze der Kontrolle. Geht etwas schief … so ohne weiteres wird man einen Leninorden nicht in den Ural schicken. Aus allen Sorgen wäre man heraus … vor allem eins könnte man sehr gut: Man könnte die Verantwortung abschieben.
    »Ist das eine Stellung, Genossin, oder nicht?« fragte er mit glänzenden Augen. »Sofort anfangen können Sie. Der Genosse Hauptkontrolleur wird Sie einweisen. Ich gehe selbst mit Ihnen zu ihm. Na, was sagen Sie?«
    »Ich freue mich«, sagte Natascha ehrlich. »Aber ich muß einen Vorschuß haben …«
    »Wieviel, Genossin?«
    »Fünfhundert Rubel –«
    Gennadi Igorowitsch Popow starrte Natascha an. Plötzlich wußte er, daß er kein Schäfchen eingestellt hatte. Sie kannte ihren Wert, und Popow ahnte, daß es wenig zu lachen gab, wenn Natascha ihre Kontrolle übernahm.
    »Bewilligt …«, seufzte er. Dann las er noch einmal das Schreiben der oberen Behörde.
    Er hatte das Gefühl, ein schönes Läuschen im eigenen Pelz großzuziehen, und das macht niemandem eine Freude.
    Mit 500 Rubel läßt's sich leben, sollte man meinen. Und auch Moskau sieht anders aus, wenn man eine Stellung hat. Keine Feindlichkeit ist mehr an der Stadt, keine niederdrückende Größe, keine erstickende Fremde, nein, fast heimatlich wird dieses Gefühl von hohen Steinhäusern und gepflasterten Straßen, von hastenden, nie Zeit habenden Menschen und so vielen Polizisten und Soldaten, daß man sich wundert, was sie alles zu tun haben und warum sie an allen Ecken stehen und jeden kritisch mustern, wo doch der Krieg vorbei ist, Genossen.
    Natascha hatte sich ihren neuen Arbeitsplatz angesehen. Es war ein kleines Zimmer am Ende der großen Fertigwerkhalle, in der an langen Tischen die Brigadiere des Werkes die Endprodukte kontrollierten. Es waren Relais, Schaltuhren und radioähnliche Apparate, die langsam über ein Transportband liefen, lautlos zu den Kontrolltischen glitten, wo sie ein Brigadier an einen Kontakt hielt … es funkte und blitzte kurz oder ein leiser Summerton ertönte. Dann nickte der Brigadier und legte das Gerät auf ein anderes Transportband, das den Gegenstand durch ein Loch in der Wand in eine andere Halle, den Packraum, entführte.
    Weiter war es nichts. Was Natascha in ihrem kleinen Zimmer sollte, erschien ihr noch unklar. Natschalnik Gennadi Igorowitsch Popow versuchte es ihr zu erklären.
    »Die Brigadiere sind gut, Genossin«, sagte er. »Ausgesuchte Menschen, aber eben auch nur Menschen. Schwach sind sie, und wenn sie am Abend einen Wodka zuviel getrunken haben, sind sie am Morgen müde und übersehen Fehler. So ist's nun mal – wer ändert die menschliche Natur? Und nun werden Sie hier sitzen, dort vor der großen Scheibe, und Sie werden die Kontrolleure beaufsichtigen. Erstens macht sie das arbeitsfreudiger und genauer, und zweitens ist es immer gut, wenn man weiß: Da ist jemand, der paßt auf. Sie haben also viel zu tun, Genossin. Leider. Sie müssen beobachten, ob bei allen Kontrolleuren auch wirklich jeder Apparat funkt und ob sie keinen nichtfunkenden übersehen und in die Auslieferung schieben. Geschieht das, dann drücken Sie hier auf diesen Knopf« – er zeigte ihn ihr, es war ein häßlicher, runder, schwarzer Bakelitknopf, der auf einer sonst leeren Schalttafel saß –, »und das Transportband hält sofort an und eine Klingel ertönt. Dann weiß jeder: Ein Brigadier hat sich geirrt … unangenehm ist's für ihn, Genossin. Wir werden eine große Hebung der Arbeitsmoral haben …«
    Natascha Astachowa überblickte die Halle. Sie sah, wie man zu ihr herüberschielte. Herumgesprochen hatte es sich, daß eine ›Heldin der Nation‹ nun kontrollieren würde. Man hatte an ein dickes, mächtiges Partisanenweib gedacht, an ein wildes Frauenzimmer mit wirren Haaren und der Stimme eines sibirischen Fuhrmannes – statt dessen stand ein kleines, zierliches Püppchen da, mit langen, schwarzen Haaren und einem Engelsgesichtchen. Der Teufel kenne sich aus, dachten die Brigadiere.
    Natascha spürte die stille Feindschaft, die ihr entgegenschlug. Nie ist ein Kontrolleur beliebt, in Moskau nicht und

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