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Nathanael

Titel: Nathanael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Landers
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hatte sie gedacht? Dass der Rotäugige sich auf sie stürzte mit den Worten: «Du bist die Nächste»?
    Nein, diese Art von Mörder wollte die Angst in ihr schüren und sich daran ergötzen, bevor er ihr den Todesstoß versetzte. Sie schloss die Haustür auf und verschwand im dunklen Hausflur.
    Wenige Minuten später stieg Tessa aus dem Fahrstuhl und stand vor Hazels Wohnungstür, an der noch immer der verwelkte Blumenkranz hing, den sie ihr im Februar zum Geburtstag geschenkt hatte.
    Ein Gefühl der Beklommenheit stieg in ihr auf, als sie den Schlüssel ins Schloss steckte. Die Tür sprang auf, aber sie zögerte einzutreten. Als wenn sie etwas Verbotenes täte.
    Sie atmete langsam ein und trat in den schmalen Flur. Hazel hätte nichts dagegen gehabt, wenn du ihre Wohnung betrittst, beruhigte sie ihr schlechtes Gewissen. Ihre Hand tastete nach dem Lichtschalter.
    Drinnen empfing sie stickige Luft – ein Gemisch aus fauligen Pflanzen und saurem Joghurt. Mindestens ein Dutzend Jacken hingen in bunter Mischung an der Garderobe.
    Tessa lächelte wehmütig angesichts der gewohnten Unordnung ihrer Freundin. Alles wirkte so, als müsse Hazel jeden Moment gut gelaunt durch die Tür treten und sie mit einem lockeren Spruch begrüßen. Stattdessen herrschte eine bedrückende Stille. Den ganzen Tag lang lief hier sonst das Radio, damit Hazel nicht den Wetterbericht verpasste. Jetzt war auch das bedeutungslos geworden.
    Außer einer Großtante von über achtzig Jahren besaß Hazel keine Verwandten. Sie sprach nicht gern über die Vergangenheit ihrer Familie und Tessa hatte sie nie mit Fragen bedrängt. Sie wusste nur, dass Hazels Eltern bei einem Lawinenunglück in Kanada ums Leben gekommen waren.
    Oft hatten sie über den Tod gesprochen, aber nie daran geglaubt, dass es eine von ihnen früh träfe. Hazel winkte bei diesem Thema stets ab, als wäre sie unsterblich.
    Wer mochte sich wohl um ihren Nachlass kümmern? Gab es vielleicht ein Testament, und war das der Grund, warum Hazel umgebracht worden war? Aber Hazel hatte nie ein Testament erwähnt.
    Ein kratzendes Geräusch drang aus dem Wohnzimmer herüber. Tessa verharrte und lauschte mit klopfendem Herzen, bevor sie es wagte, um die Ecke zu schielen. In der aufblinkenden Leuchtreklame erkannte sie einen Vogel, der draußen auf dem Fenstersims stakste. Er flatterte krächzend davon, als sie das Wohnzimmer betrat. Erleichtert atmete sie auf und schaltete das Licht ein.
    Auf dem Couchtisch stand eine Vase mit Tulpen. Die Blätter waren verwelkt und lagen über den Tisch verteilt. Das Wasser stank faulig. Tessa entsorgte das Wasser und warf die Blumen in den Mülleimer in der angrenzenden Küche. Als sie den Deckel hochklappte, stieg ihr ein unangenehmer Geruch in die Nase. Sie zog den Beutel heraus und steckte ihn im Flur in den zentralen Müllschacht.
    Dann kehrte sie wieder ins Wohnzimmer zurück und überlegte, wo sie mit ihrer Suche beginnen sollte.
    Unzählige Bücher stapelten sich an einer Seite des ausladenden Ledersofas. Kissen und Decken knautschten in allen Ecken und auf dem kleinen Beistelltisch stand ein halb geleertes Glas Cola, dessen Neige bereits Schimmel angesetzt hatte.
    Auf dem Schreibtisch daneben befand sich Hazels Laptop. «Mein Hirn und mein Herz», hatte sie immer scherzhaft gesagt.
    Hazel führte Tagebuch und Terminkalender elektronisch. Tessa konnte sich nicht daran erinnern, sie je mit einem Notizblock bei einer Sitzung mit den Händlern in der Bank gesehen zu haben. Stattdessen tippte sie auf einem Mini-Laptop.
    Wenn Tessa etwas über ihren Tod erfahren wollte, mussten sich Hinweise in ihren Dateien finden lassen. Rasch brachte sie das Colaglas in die Küche und setzte sich danach an den Laptop.
    Sie drückte den roten Einschaltknopf. Ein Kästchen mit einem Ausrufezeichen erschien auf dem Bildschirm, und eine sinnliche Männerstimme forderte das Passwort.
    Verdammt! Hazel hatte nie mit ihr darüber geredet. Über dem Kästchen schwebten Raffael di Santis dicke Engel vom Gemälde der Sixtinischen Madonna, bis sie anschließend einen Kreis über den Bildschirm zogen.
    Tessa fand das Motiv recht kitschig. Es passte nicht zur nüchternen Hazel. Eine Séance hatte auch nicht zu ihr gepasst. Hatte Hazel die Séance aus Neugier besucht oder steckte doch ein Mann dahinter?
    Die Stimme forderte erneut das Passwort. Tessa stöhnte laut. Es gab Tausende Möglichkeiten.
    Grübelnd kaute sie auf der Unterlippe und tippte nacheinander mehrere Wörter ein, die ihr

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