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Nathanael

Titel: Nathanael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Landers
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Moment verschwand schlagartig das Glühen in den Augen des Arztes, als hätte jemand das Licht gelöscht.
    Der Arzt lächelte Tessa an, bevor er aus ihrem Blickfeld verschwand. In seinem Lächeln lag die gleiche Kälte, die sie vorhin körperlich gespürt hatte. Kein Zweifel, er war der Dämon und er würde nichts unversucht lassen, sie umzubringen. Aber warum?
    Als hätte er eine Tür in ihrem Kopf geöffnet, kehrte ihre Erinnerung an das Geschehen der gestrigen Nacht zurück.
    «Ernest, ich weiß jetzt wieder, was passiert ist.» Sie zerdrückte vor lauter Aufregung fast seine Hand. «Hör mir zu, wir haben keine Zeit mehr.»
    Ernests Augenbrauen schossen nach oben. «Wie meinst du das, wir hätten keine Zeit mehr? Du …»
    «Bitte, hör mir einfach nur zu. Der Kerl auf dem Flur ist bestimmt kein Arzt. Er hatte dieses rote Funkeln in den Augen. Ich habe mich nicht geirrt, der Dämon ist hier und will mich umbringen.» Ihre Stimme überschlug sich fast in der Erregung.
    Ernest riss seine Augen weit auf und wollte etwas entgegnen, aber Tessa kam ihm zuvor.
    «Ich kann mich wieder an alles erinnern. Gestern wollte ich mit einem Taxi nach Hause fahren. Der Fahrer entpuppte sich als der Dämon. Er hat mich zum Hafengelände gebracht, um mich umzubringen. Dort hat er mich dann aufs Dach einer dieser vielen Lagerhallen getragen. Irgendetwas hat ihn gestört. Er ließ mich so schnell los, dass ich stürzte. Ich weiß nicht, weshalb er mich dann nicht getötet hat. Verstehst du nun, dass ich hier weg muss? Hier bin ich nicht in Sicherheit. Wir müssen uns beeilen.»
    Ernest atmete geräuschvoll ein. «Bist du dir sicher?»
    «Absolut.»
    «Aber du bist für eine Flucht zu schwach.» Ernest runzelte die Stirn.
    «Das wird schon irgendwie gehen. Es muss.»
    «Moment, ich habe draußen einen Rollstuhl gesehen. Ich könnte dich damit schieben.»
    «Gib mir schnell meine Sachen, bevor die Schwester zurückkommt.» Mit einer ungeduldigen Geste bedeutete sie ihrem Bruder, ihre Kleidung aus dem Schrank zu nehmen.
    Wenig später schob Ernest Tessa durch die langen Krankenhausflure bis zum Fahrstuhl. Niemand sprach sie an. Zum Glück , dachte Tessa, die völlig verkrampft im Rollstuhl saß und ängstlich um sich blickte.
    Ernest wirkte so verdammt gelassen. Er drückte auf den goldfarbenen Knopf neben dem Fahrstuhl. Angespannt sah Tessa zu der Anzeige hinauf, die die Fahrt des Lifts beschrieb. Fast in jedem Stockwerk hielt er, was sie immer ungeduldiger werden ließ.
    Ihre Finger trommelten auf den Lehnen, bis sie erschrocken stoppte. Ein eisiger Hauch streifte ihren Nacken, dass sich ihre feinen Nackenhaare aufstellten. Der Dämon befand sich ganz in der Nähe. Sie presste die feuchten Hände gegeneinander.
    «Er ist hier», flüsterte sie.
    «Wo?»
    Sie drehten sich um, aber der Korridor hinter ihnen war menschenleer. Nur im Schwesternzimmer klapperte jemand mit Geschirr.
    «Ich sehe ihn nicht, aber es ist wieder kalt.»
    «Vielleicht zieht es nur von irgendwo her», versuchte Ernest sie zu beruhigen. Tessa schüttelte den Kopf.
    Nur noch ein Stockwerk, dann würden sich vor ihnen die Aufzugtüren öffnen. Aber der Fahrstuhl blieb auf der Etage über ihnen hängen. Der andere daneben rauschte, ohne zu halten, durch in die oberen Stockwerke. Tessa starrte auf die Anzeige, als könnte sie diese manipulieren.
    «Warum hängt dieser blöde Aufzug?», zischte sie.
    «Bestimmt kommt er gleich», sagte Ernest hinter ihr und sah sich um. «Ich sehe niemanden.»
    Bevor sie ihm antworten konnte, öffneten sich mit einem Pling die Türen des Aufzugs. Sofort schob Ernest sie hinein und wählte die gewünschte Etage.
    «Wieso fahren wir in den Keller?», fragte sie.
    «Unten in der Parkgarage steht mein Wagen.»
    Ein ungutes Gefühl beschlich sie. «Können wir nicht im Erdgeschoss aussteigen und mit dem Taxi fahren?»
    Bei der Vorstellung, der Dämon könnte sie in einer schwach beleuchteten Tiefgarage überraschen, schauderte sie.
    «Willst du wieder einen dämonischen Taxifahrer treffen?»
    «Natürlich nicht.»
    «Er kennt meinen Wagen nicht. Es ist besser, so wenig wie möglich Leute einzuweihen, die davon wissen, wo du dich aufhältst.»
    Hoffentlich behielt ihr Stiefbruder recht.
    Die Aufzugtüren schlossen sich und die Fahrt ging abwärts, acht Stockwerke in die Tiefe. In diesem Moment wünschte sie, Nathanael wäre bei ihr. Mit ihm hätte sie sich sicher gefühlt. Er hatte sie schon einmal gerettet, vor dem Museum. Sie verspürte ein

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