Nathaniel und Victoria, Band 2: Unter höllischem Schutz (German Edition)
damit.«
Ramiel seufzte. »Es ist dir also aufgefallen.«
»Machst du Witze? Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was dieses Geheimnis ist, das offenbar jeder außer mir kennt.« Ich funkelte ihn herausfordernd an. »Also?«
»Hast du dich nie gewundert, warum dir Melinda ausgerechnet einen Erzengelanker von Uriel gegeben hat?«
Ich starrte Ramiel einen Augenblick sprachlos an.
»Ich … ehrlich gesagt, nein.«
»Oder warum Melinda überhaupt diesen Anker besitzt ?«
Ich schüttelte den Kopf. Warum hatte ich eigentlich nie darüber nachgedacht?
»Kennst du den Grund?«, fragte ich langsam.
»Melinda hat eine besondere Verbindung zu Uriel«, sagte Ramiel.
»Was für eine Verbindung?« Ich konnte mir nicht vorstellen, was Melinda mit einem düsteren Erzengel wie Uriel verbinden könnte.
Ramiel neigte den Kopf. »Das weiß niemand so genau. Sie spricht nicht darüber, niemals. Als sie dir diesen Anker gegeben hat, waren wir alle … überrascht, um es milde auszudrücken.«
»Ich erinnere mich an eure Reaktion«, murmelte ich. »Und ich dachte, es lag einfach daran … was weiß ich, weil Uriel so bedrohlich ist.«
»Das auch«, nickte Ramiel. »Aber hauptsächlich lag es daran, dass Melinda sonst jeden Hinweis auf ihre Verbindung zu Uriel vermeidet.«
Ich fuhr mir mit der Hand über die Stirn. Plötzlich fühlte ich mich sehr erschöpft. Und die Inferni, die mich umschwärmten seit wir die Bibliothek verlassen hatten, machten es noch schlimmer.
»Ist ja auch egal. Morgen werde ich diesen Colin aufsuchen. Hoffentlich weiß er wirklich etwas. Jetzt will ich nur noch nach Hause.«
»Was ist, kommst du mit?«, fragte ich Anne am nächsten Tag, nachdem ich ihr während Madame Duponts Französischstunde im Flüsterton von meinem Plan erzählt hatte.
»Ob ich …? Ja, klar!« Anne strahlte mich an. »Da lerne ich dann meinen ersten … wie nennst du sie?«
»Erdengänger.«
»Genau. Ich lerne meinen ersten Erdengänger kennen!«
Sie wippte aufgeregt auf ihrem Stuhl auf und ab.
Nachdem Ramiel gehört hatte, dass Anne uns am Nachmittag begleiten würde, legte sich ein verschmitztes Lächeln auf seine Lippen, das für den Rest des Schultages nicht wieder verschwand. Ich hatte den Verdacht, dass das etwas mit einem gewissen weiblichen Schutzengel namens Palomela zu tun haben könnte, doch Ramiel schien plötzlich unter einer rätselhaften Taubheit zu leiden, was meine lautstarken Gedanken zu diesem Thema betraf. Jedenfalls schwieg er demonstrativ dazu.
Nach der Schule fuhren Anne und ich zu der Adresse, die Melinda mir aufgeschrieben hatte.
»Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?« Anne betrachtete zweifelnd das Gebäude, vor dem wir standen. »Ich dachte, der Typ ist ein Goldschmied.«
» Anker schmied. Ja, das ist die richtige Adresse. Versuchen wir unser Glück.«
Ich marschierte entschlossen durch den Haupteingang, über dem ein riesiger Haifisch und großes Schild hingen: Haus des Meeres.
Anne folgte mir zögernd.
Das Aquarium war ziemlich groß, mehrstöckig und sehr verwinkelt. In Tanks, die in den Wänden eingelassen waren, tummelten sich unzählige Meeresbewohner, von denen einige fast wie kleine Außerirdische aussahen.
»Warum ist es hier so dunkel?«, murmelte Anne unbehaglich und schob sich näher an mich heran, als ein paar Besucher an uns vorbeigingen. Wir konnten nur die Umrisse ihrer dunklen Gestalten erkennen.
»Keine Ahnung. Damit die Fische besser zur Geltung kommen? Ich frage mal nach Colin.«
Die Angestellte, die ich fragte, verwies mich in den dritten Stock.
»Bei der Reptilienshow!«, nickte sie enthusiastisch.
»Oje«, sagte ich.
»Oh, toll!«, strahlte Anne.
Im dritten Stock herrschte größerer Besucherandrang als in den anderen Stockwerken, was vermutlich daran lag, dass einige Tierpfleger meterlange Würgeschlangen aus ihren Terrarien genommen hatten und zwischen den Besuchern herumtrugen. Wer wollte, durfte die Tiere berühren.
»Ich suche Colin«, sagte ich zu einem Mann, der eine Schlange trug, die so dick war wie mein Oberschenkel.
Der Tierpfleger deutete auf einen jungen, schlaksigen Typ, der gerade ein leer stehendes Terrarium reinigte. Als ich näher kam sah ich, dass er höchstens fünf Jahre älter war als Anne und ich. Er hatte lange, blonde Dreadlocks, an seinen Handgelenken baumelten Bänder aus Holzperlen und um seinen Hals trug er einen Anhänger, der wie eine polynesische Schnitzerei aussah. Auf seinem T-Shirt stand Surf Forever .
»Bist
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