Nathaniel und Victoria, Band 2: Unter höllischem Schutz (German Edition)
hast du vor? Wohin gehst du?«
Aus seinen Augen blitzte unbändiger Zorn. »Auf die Jagd.«
Ich erstarrte entsetzt. Bei dem Gedanken, dass Nathaniel, so mächtig und furchteinflößend er auch war, die Unterwelt durchkämmte, um ein Exempel zu statuieren, krampfte sich alles in mir zusammen.
Ein seltsamer Ausdruck erschien auf Nathaniels Gesicht. »Du hast Angst um mich«, sagte er.
Meine Wut verrauchte. »Natürlich«, flüsterte ich. »Bitte tu das nicht.«
Etwas veränderte sich in Nathaniels furchterregendem Ausdruck. Er beherrschte seinen Zorn und seine bedrohliche Ausstrahlung wurde ruhiger.
»Bitte geh nicht«, bat ich leise. »Bleib bei mir.«
»Das kann ich nicht«, erwiderte er und wandte sich von mir ab.
»Aber warum nicht?«, drängte ich. »Ich verstehe das alles nicht. Erklär es mir, Nathaniel.«
Er atmete langsam aus und starrte auf die versteckte Tür in der Mauer, während er mit sich rang.
»Du willst auf den Friedhof gehen?«, fragte er schließlich in sanfterem Ton.
Ich nickte und wartete angespannt. Es dauerte einige Zeit, bis er sich schließlich wieder zu mir drehte.
»Dann werde ich dich begleiten«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Es ist sicherer für dich. Dort können wir reden.«
Nathaniel drückte die verborgene Tür für mich auf, ließ mich in den Friedhofsgarten eintreten und folgte mir. Es war ein seltsames Gefühl, mit Nathaniel den Garten hinter der Kapelle zu betreten. Als ich den dunklen Dämon an meiner Seite betrachtete, war ich selbst erstaunt darüber, wie weit ich für ihn zu gehen bereit war. Bedingungslos, ohne zu überlegen, ohne zu fragen … für ein furchterregendes Geschöpf aus der Hölle. Auf einmal verstand ich Ramiels Vorsicht. Und es wunderte mich plötzlich auch nicht mehr, dass Nathaniel selbst über mein Vertrauen so erstaunt gewesen war.
»Ich habe so viele Fragen, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll«, murmelte ich ehrlich und scharrte dabei im Kies unter meinen Füßen.
Nathaniel hatte gesagt, dass er mich auf den Friedhof begleiten würde, damit wir reden konnten. Durfte ich hoffen, dass er zumindest so lange bei mir bleiben würde, bis wir den Friedhof wieder verließen?
»Das werde ich, Victoria«, beantwortete er meine Gedanken. Als ich ihn ansah, überraschte mich sein zärtlicher Blick.
Du kannst noch immer meine Gedanken hören?
Er nickte.
»Dann kannst du auch meine Gefühle spüren?«, fragte ich vorsichtig.
»Ich habe alles gefühlt, was du gefühlt hast«, erwiderte er rau.
Ich erschrak. »Die ganze Zeit über?«, fragte ich schaudernd. »Ich meine, seit du … du hast alles gespürt? Alles, was ich gefühlt habe?«
Nathaniel nickte. »Deine Trauer über meinen Fall. Das Grauen der Inferni. Deine Todesangst bei Lazarus' Angriffen. Ich habe alles gespürt. Deine Verzweiflung, deine Angst um mich, die dich beinahe um den Verstand gebracht hat …«
»Es tut mir so leid«, flüsterte ich geschockt.
»Das muss es nicht«, erwiderte er sanft. »Deine Gefühle zu spüren, war eine Qual für mich, aber sie haben mich bei klarem Verstand gehalten. Sie haben mir geholfen, zu überleben. Sie waren der Grund, der mich weiterkämpfen ließ.«
Ich blieb stehen und betrachtete sein gefährlich schönes Gesicht mit den tiefen Narben.
»Die Hölle ist ein schrecklicher Ort«, flüsterte er. »Dich zu spüren hat mir geholfen, mich selbst nicht zu vergessen. Deine Gefühle waren … sie waren furchtbar, quälend. Doch sie waren stark. Stärker als alles andere. Stark genug, um mich zwischen all den Inferni bei Sinnen zu halten.«
Sein Blick wurde dunkel, als er in die Ferne starrte. »Jedenfalls das, was von mir noch übrig war«, fügte er verbittert hinzu.
Ich nahm schweigend seine Hand.
»Ich muss dir wie ein Monster erscheinen«, flüsterte er kaum hörbar. »Wie ein Albtraum, der direkt aus der Hölle entstiegen ist. Dass du meine Nähe überhaupt ertragen kannst …« Er schüttelte den Kopf. »Ich würde es verstehen, wenn du …«
Ich näherte meine Hand langsam seinem Gesicht. Mit Erstaunen in seinen goldbraunen Augen folgte er meiner Bewegung. Vorsichtig berührte ich die Narben auf seiner Wange. Er sah mich an, forschend, voller Zweifel und aufkeimender Hoffnung. Ich zeichnete sanft die Narben mit meinen Fingern nach.
»Wie ist das geschehen?«, flüsterte ich.
Nathaniel hielt vollkommen still unter meiner Berührung. »Sie haben mich angegriffen«, murmelte er. »Die anderen Dämonen, die Inferni, sie
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