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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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gefangen.
    Plötzlich öffnete sich der Eingang. Die einströmende frische Luft war eine Wohltat, deren Genuss kaum in Worte zu fassen war. Josephine atmete so tief durch wie niemals zuvor. Black Fox erschien, trug mit der Forke zwei glühende Steine herein und ließ sie in die Mulde fallen, die sich in der Mitte der Schwitzhütte befand. Er streute getrockneten Salbei darauf, nickte Josephine mit feierlichem Ernst zu und ging hinaus. Ehe das Fell erneut zufiel und wieder diffuses Dunkel herrschte, fiel ihr Blick auf Nathaniel. Nackt bis auf seinen Talisman, einer Kette mit fünf Bärenkrallen und einem Schurz aus Wildleder saß er kaum einen Meter entfernt ihr gegenüber. Schweiß bedeckte seinen Körper. In der Glut der Steine glänzten die Tropfen tiefrot wie Perlen aus dunklem Blut. Sie benetzten seine Brust, seine Stirn und die wie gemeißelt hervortretenden Muskeln seines Bauches. Seine Augen waren geschlossen, als bereitete ihm das Licht Schmerzen. Feuchte Haarsträhnen klebten ihm auf Schultern und Rücken, wie sich windende Schlangen, deren Körper in Josephines hitzevernebelter Fantasie zu zucken schienen.
    Plötzlich öffnete Nathaniel die Augen und sah sie an. Ein glühender Blick, dessen Intensität einer intimen Berührung gleichkam. Er wusste, was sie fühlte. Er wusste, was sie begehrte. Sie schauderte. Für jenen winzigen, ewigen Moment, in dem er sie ansah, gab es nur noch ihn. Seinen Moschusgeruch, seine Haut, die Wölbungen seiner Muskeln. Das Versprechen in seinen Augen.
    „Ich will die Wahrheit wissen.“ Josephines Kehle brannte. Auf ihrer Zunge schien getrockneter Salbei zu liegen. „Erklär es mir. Was bist du? Sag es mir, und wenn du willst, gehe ich danach und komme nie wieder.“
    Warum sagte sie so etwas? Es war gelogen. Oh ja, es war eine elende Lüge, denn sie würde niemals gehen. Sie wollte Nathaniel so sehr, dass es wehtat.
    „Ich will nicht, dass du gehst“, antwortete er. „Vielleicht drehten sich meine Gebete nur um den Wunsch, mit dir zusammenbleiben zu können.“
    Josephine schwieg, denn sie wusste nicht, was sie hätte entgegnen können. Das Glühen der Feuerstelle verging, doch Black Fox hatte – in weiser Voraussicht oder aus reiner Gnade – einen kleinen Spalt offen gelassen, durch den das Licht der draußen entfachten Flammen fiel und Nathaniels Körper mit kupfernem Licht überhauchte. Befand sie sich noch in der Wirklichkeit, oder war sie auf magische Weise zurück in ferne Zeiten gereist? Behutsam nahm er einen Krug und goss dessen Inhalt über die heißen Steine. Neue Hitze, noch mehr Dampf und der beißende Duft nach Salbei.
    „Stell dir vor, du sitzt im Schoß von Mutter Erde“, sagte er. „Stell dir vor, es wäre die Dunkelheit und die Wärme ihres Mutterleibes. Du bist ihr Kind. Sie beschützt und umarmt dich.“
    Josephines Gedanken schweiften ab. Es war nicht der Schoß von Mutter Erde, den sie spüren wollte. Es war Nathaniels Schoß. Es war seine Wärme und Dunkelheit, die sie umarmte. Sein Körper, der ihren Geist beherrschte.
    Eine Weile schwieg er, bevor er wieder zu singen begann. Der Klang seiner Stimme hallte köstlich in ihr wider, bis ihr Unterleib sich vor Verlangen zusammenzog. Die Hitze wurde erträglicher, eine wonnige Schwere drückte ihren Körper tief in die Erde, die sie bereitwillig in sich aufnahm. Josephine rollte sich zusammen wie ein Embryo. Für immer wollte sie in dieser behütenden Wärme schweben, mit ihr verschmelzen und in dem Gefühl baden, eins mit allem zu sein.
    „Komm, Tacincala“, flüsterte eine Stimme. Fern und weich. „Komm zu mir.“
    Josephine spürte, wie Nathaniels Hände nach ihrem vom Schweiß durchtränkten Unterhemd griffen und es über ihren Kopf zog. Sie keuchte auf. Diese Berührung war wie ein Stromschlag. Feuchte Hitze strich über ihre nackte Haut wie ein Tuch aus Samt. Einen Moment begehrte ihr Verstand auf und wollte sich ihm entziehen, verwirrt von all den Dingen, die sie nicht verstand. Doch die Magie der Zeremonie war zu stark. Ihr Verstand schwand dahin.
    Nathaniel war direkt vor ihr. Hingerissen starrte sie in sein Gesicht. In der Vertiefung über seiner Oberlippe hatten sich kleine Schweißperlen gesammelt und verlangten danach, fortgeküsst zu werden. Wie in Trance beugte sie sich vor. Umfing sein Gesicht mit beiden Händen und leckte, jeden Augenblick dieser Nähe hungrig verschlingend, die salzigen Tropfen mit der Zungenspitze ab.
    Nathaniel seufzte. Sein ohnehin schwerer Atem wurde noch

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