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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Freunden als einzigen Hinterbliebenen die Hand zu geben und ihr Beileid auszusprechen. Auch wenn er es nicht wahrhaben wollte: Alain hatte gut beobachtet. Der intensive und eine Spur zu lange Händedruck der Damen vom Spital ließ kaum Zweifel daran, wem ihre Aufmerksamkeit wirklich galt. Resigniert schenkte er ihnen ein warmes Lächeln und sehnte das Ende der traurigen Veranstaltung herbei.
    Der Platz leerte sich. Zurück blieben die vier Freunde und Professor Fabre, der die würdige Bestattung ausgerichtet hatte.
    »Du wirst uns also wirklich nicht begleiten?«, fragte Michel seinen Mentor noch einmal. Ganz im Sinne des lebensfrohen Lorenzo hatten seine Freunde beschlossen, die Zeremonie mit einem erlesenen Déjeuner im Gedenken an den großartigen Koch abzuschließen. Die kurzfristige Reservation im ›Grand Véfour‹ verdankten sie dem Einfluss des Professors, der sie aber nicht begleiten wollte.
    Damien Fabre schüttelte lächelnd den Kopf und antwortete: »Es ist besser, wenn ihr jetzt unter euch bleibt. Ich habe sowieso einen Termin kurz nach Mittag.« Damit verabschiedete auch er sich.
    Der Name des Professors hatte den Empfangschef dazu bewogen, ihnen einen etwas abgesonderten Tisch an der vergoldeten Spiegelwand des großen Saals freizuhalten, beim Fenster mit Blick auf die Säulen des Palais Royal. Fünf Gedecke lagen auf dem makellos straffen, weißen Tischtuch. Die vier Freunde setzten sich auf die bordeauxroten Polster. Jeder wusste, dass der Platz am Kopfende des Tisches frei bleiben musste. Die Konversation wollte nicht richtig in Gang kommen. Erst der leise perlende ›Dom Pérignon‹ in ihren Gläsern rüttelte die jungen Männer aus ihren trüben Gedanken. Michel hob sein Glas und prostete dem leeren Gedeck zu:
    »Auf dich, Lorenzo!«
    Lachend stimmten die andern ein. Der Bann war gebrochen. Zeit, die alten Geschichten aufzutischen, angefangen von den häufigen, heftigen Standpauken, die ihr Freund am Gymnasium provoziert hatte, weil er notorisch schneller war als der Rest der Klasse und sich oft gelangweilt ›schulfremden‹ Tätigkeiten widmete, wie sich die geplagte Madame Bertolet ausdrückte. Es tat gut, sich die schönen Erinnerungen auf der Zunge zergehen zu lassen, gleichsam als Geschmacksverstärker für die göttlichen Schöpfungen des Maître de Cuisine. Nur die letzten Tage im Jura, die so grässlich endeten, erwähnte keiner mit einem Wort. Selbst Alain, der sonst leidenschaftlich gern in offenen Wunden stocherte, hielt sich zurück. Am Ende des Mahls hatte Michel die seltsamen Umstände von Lorenzos Tod beinahe verdrängt, sich gewissermaßen versöhnt mit dem grausamen Schicksal seines Freundes. Allein, die Harmonie sollte nicht lange dauern, denn nachdem Patrick und René sich verabschiedet hatten, zupfte ihn Alain am Ärmel und holte ihn mit wenigen Worten in die harte Wirklichkeit zurück:
    »Es war kein Unfall. Das wissen wir beide.«
    Er widerstand dem ersten Impuls, ihm entrüstet das Wort abzuschneiden, sprach er doch nur aus, was auch ihn seit seinem grausigen Fund beschäftigte, ob er wollte oder nicht.
    »Es hat mit dem unheimlichen Viech zu tun, nicht wahr?«
    Er schwieg, hielt Alains prüfendem Blick ohne mit der Wimper zu zucken stand.
    »Es hat den armen Lorenzo in den Tod getrieben, und niemand weiß, was es ist, nicht wahr?« Wieder musterte er ihn eingehend.
    »Du bist verrückt«, entgegnete Michel schließlich leise. Seine Stimme klang nicht sehr überzeugend.
    »Bin ich das? Warum habt ihr eine Probe an das Hightech-Labor geschickt?« Er machte eine Kunstpause, bevor er mit der Neuigkeit herausrückte: »Und weshalb ist die Probe dort umgehend konfisziert worden?«
    »Was sagst du da?«, fuhr Michel auf. Die Nachricht erschütterte ihn. Ungläubig murmelte er: »Wer sollte ein Interesse daran haben, ...«
    »Die Untersuchung zu verhindern?«, unterbrach Alain triumphierend. »Siehst du, das ist die große Frage. Das Ding ist offenbar so wichtig, dass man ein Staatsgeheimnis daraus macht. Vielleicht eine Art außerirdische Pest, wenn du mich fragst.«
    »Dich fragt aber keiner. Du bist wirklich übergeschnappt.« Wieder sagte er es mit flauem Gefühl im Magen, denn Alain hatte den Kern der Sache durchaus erkannt, auch wenn seine berufsbedingte Fantasie wohl etwas übers Ziel hinausschoss. Hätte er allerdings gesehen, was er selbst mit eigenen Augen beobachtet hatte, wäre er wohl endgültig von seiner Alientheorie überzeugt gewesen. Michel konnte noch immer

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