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Nayidenmond (German Edition)

Nayidenmond (German Edition)

Titel: Nayidenmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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Unglücklich sah er zu seinem Hemd, das mehr als drei Schritte entfernt lag.
    „Du bist schnell genug, einem Oshanta standhalten zu können. Ein wenig Technik und zwei, drei Jahre weitere Ausbildung, und du könntest die meisten von uns besiegen. Du hast Talent, und Karm hat wirklich gute Arbeit an dir geleistet.“
    „Du scherzt!“, rief Rouven impulsiv.
    „Keineswegs. Du bist hochkonzentriert, wenn du kämpfst, im Gegensatz zu deinem sonst so unbeherrschten Wesen. Die wichtigsten Grundlagen sind bei dir vorhanden. Zu viele Krieger vernachlässigen Genauigkeit zugunsten von Kraft, fixieren ihren Geist zu stark darauf, die Verteidigung des Gegners zu durchbrechen, Schwachstellen auszunutzen und einen tödlichen Schlag zu landen. Ein Oshanta benötigt drei Attacken, um die Fähigkeiten seines Gegners einzuschätzen, vielleicht fünf, falls dieser sehr auf Defensive bedacht ist. Danach muss er sich nur noch schützen, wenn er den Gegner zu einem Angriff verleitet, indem er eine Schwäche antäuscht – und schneller zuschlagen als der andere. Du, Rouven, hast zwei Attacken gebraucht, um dich auf mich einzustellen, denn ich habe dich unterschätzt.“
    „Ich bin nicht so wie du und könnte es auch nie sein. Selbst wenn man die Grundausbildung, die ich schon zuvor am Schwert hatte, hinzunimmt, bringe ich es nur auf vierzehn Jahre, während du – ich weiß nicht, dreißig Jahre, oder mehr? – für nichts als den Kampf gelebt hast.“
    Rouven trat probehalber zwei Schritte zurück. Als Iyen nichts tat, um ihn aufzuhalten, ging er erleichtert zu seinem Hemd hinüber und zog es über. Es fühlte sich gut an, so als könnte der dünne Stoff ihm Sicherheit bieten, so unsinnig das auch war.
     
    „Ich bin zweiunddreißig Jahre alt“, sagte Iyen, während er jede Bewegung Rouvens beobachtete, und lächelte dabei freudlos. „Ich will keinen Mörder aus dir machen, ich will dich vor Mördern beschützen. Die Überheblichkeit deiner Feinde ist eine starke Waffe! Wenn du gewagt hättest mich zu attackieren, hättest du mich beim ersten Schlagabtausch besiegen können.“ Er packte seine Habseligkeiten zusammen, verwischte ein wenig die allzu offensichtlichen Spuren ihrer Anwesenheit und winkte Rouven dann zu sich. „Lass uns eilen, ich habe zu lange geschlafen, und unsere Übungsstunde hat zu viel Zeit gekostet.“
    Schweigend hob Rouven sein Bündel über die Schultern und folgte ihm. Er schien sich von dem plötzlichen Übergriff noch nicht erholt zu haben, er hielt Abstand und fuhr zusammen, wann immer er ihn anblickte. Iyen bedauerte die Zeit nicht, die er mit der Kampflektion verloren hatte, im Gegenteil: Er konnte Rouven nun noch besser einschätzen und wusste, dass der junge Mann sich sehr gut selbst schützen konnte. Die Ängstlichkeit, mit der er ihm begegnete, war traurig, doch es war besser, es musste besser so sein!
    „Ich weiß, wir müssen uns beeilen, darf ich mich trotzdem kurz waschen? Ich bin völlig durchgeschwitzt“, fragte Rouven scheu, als sie den Bach erreichten. Iyen seufzte innerlich. Die kleine Unannehmlichkeit von schweißverklebter Haut dürfte kein Grund sein, sich noch mehr in Gefahr zu bringen, von ihren Verfolgern entdeckt zu werden. Anderseits war es trotz der frühen Stunde drückend warm, und nach seinen Berechnungen unwahrscheinlich, dass Jarne und Bero bereits zu ihnen aufgeschlossen hatten.
    „Gut“, entschied er und nickte. „Beeil dich, du bist auf der Flucht, nicht auf dem Weg zu einem Tanzball.“ Er beschloss, sich ebenfalls kurz zu waschen, wenn sie schon einmal hier waren. Iyen legte seine Kleider ab – zwei Waffen gezogen und in Griffweite deponiert – und kniete sich nackt am Ufer nieder. Rouven befand sich zwei Schritt vor ihm, mitten im niedrigen Wasser, den Rücken zu ihm gewandt. Der Anblick des schönen Körpers, der ihn den ganzen Morgen über gereizt hatte, verfehlte seine Wirkung nicht: So sehr Iyen dagegen ankämpfte, er konnte die Erregung, die ihn mit so viel Macht packte, nicht unterdrücken. Hastig warf er sich einige Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht, versuchte sich ausschließlich auf die Umgebung zu konzentrieren und Rouven dabei auszublenden. Er wusste, wie sehr er diesen Mann begehrte, den er niemals würde haben können.
    Wahrscheinlich sogar genau deswegen, dachte er zynisch und beendete die flüchtige Reinigung. Als er aufstand, sah er Rouven, der still dastand und ihn mit weit aufgerissenen Augen beobachtete – der Junge hatte gesehen, dass auch

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